Berlin, 06. Oktober 2023
Im Gebäudesektor klafft aktuell eine Lücke von 474 Millionen Tonnen (Mio. t) CO2-Äquivalenten (CO2e), die Deutschland durch zusätzliche Maßnahmen einsparen muss, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Alle Sektoren zusammengenommen liegt die Deckungslücke in der deutschen Klimapolitik aktuell bei 3.235 Mio. t CO2e. Zu diesen Berechnungen kommt GermanZero und legt als Lösungsvorschlag das Klimanotstandspaket vor, das für jeden Sektor Kernmaßnahmen benennt, über die sich 65 Prozent dieser Emissionen bis 2035 einsparen lassen.
Die 39 ausgewählten Kernmaßnahmen erfüllen zwei wesentliche Faktoren, die bei der Lösung der Klimakrise priorisiert werden müssen:
● sie sind am noch verfügbaren Treibhausgas-Restbudget (THG) von 2,3 Gigatonnen ausgerichtet
● sie weisen eine starke Wirksamkeit auf
Das Klimanotstandspaket ist eine Reaktion auf den aktuellen Emissionsbericht des Umweltbundesamts. Der Gebäudesektor verursachte im vergangenen Jahr 111 Mio. t CO2e, das sind 15 Prozent der deutschen THG-Emissionen. Die Aufgabe zur klimaneutralen Transformation im Sektor ist enorm: Rund 19 Millionen Wohngebäude gibt es in Deutschland. Drei von vier Haushalten in Deutschland heizen noch mit Öl oder Gas. 88 Prozent der Gebäude sind gegenwärtig nicht oder nur teilweise gedämmt. Und um bis 2035 klimaneutral zu werden, muss die Sanierungsrate von aktuell 1 % auf 4 % steigen.
GermanZero zeigt mit den Klimanotstandsmaßnahmen, was nötig ist, um jetzt planvoll und mit dem dringend notwendigen Tempo die Weichen für klimaneutrales Wohnen zu stellen.
Durch acht Kernmaßnahmen ließen sich für die Bundesregierung und die zuständigen Ministerien auf diese Weise 379 Mio. t CO2e einsparen:
Der größte Hebel liegt in der Reform des nationalen Brennstoffemissionshandels, durch den 95 Mio. t CO2e eingespart werden könnten. Ein solcher Emissionshandel würde zu einem CO2-Preis führen, der ausreichend starke Anreize schafft, klimaschädliche Aktivitäten - z.B. die Nutzung von Öl- oder Gasheizungen - zu reduzieren. Um Lenkungswirkung zu entfalten, muss dafür u.a. die Zertifikatsmenge kontinuierlich reduziert und bis 2035 alle Zertifikate aus dem Verkehr gezogen werden. Gleichwohl sollte der Gebäudesektor in den europäischen Emissionshandel integriert werden.
Entscheidend ist der finanzielle Ausgleich von Mieter:innen. Während Vermieter:innen von Anreizen zur energetischen Sanierung profitieren, braucht es rechtliche Schutzmechanismen, damit die Kosten der Modernisierung und des höheren CO2-Preises nicht auf Mieter:innen zurückfallen. Durch solche Anreize zur Umverteilung ließen sich weitere 24 Mio. t CO2e einsparen.
Ca. 88 % des Gebäudebestands fallen in schlechtere Energieeffizienzklassen als B. Damit der Sektor bis 2035 klimaneutral ist, müssen daher ab jetzt rund 1,3 Millionen Häuser jährlich saniert werden. Eine Ausweitung, die sich lohnt: Über die Sanierungsverpflichtung und Sanierungstiefe könnte die Bundesregierung 71 Mio. t CO2e einsparen. Während auf dem Baugipfel Ende September beschlossen wurde, die Erhöhung der Energiestandards zu verschieben, zeigt das Klimanotstandspaket, dass durch eine Verpflichtung zu Klimaneutralität im Neubau bis 2035 47 Mio.t weniger CO2e erreicht werden können. Gleichzeitig empfiehlt es sich aus Klimaschutzsicht bei der Schaffung von mehr Wohnraum den Fokus weniger auf Neubauten zu legen, sondern auf mehr Fördermaßnahmen für die Bestandsnutzung zu schaffen. Durch Sanierung, Umnutzung oder Wohnungstausch könnten weitere Flächenversiegelungen vermieden werden.
Kristian Prewitz, Referent Gebäudepolitik: „Die Transformation im Gebäudesektor ist politisch wie gesellschaftlich eine besondere Herausforderung, denn sie berührt Fragen der Selbstbestimmung und des Eigentums, verbunden mit notwendigen Investitionen von Hausbesitzer:innen. Gleichzeitig treffen bei der Frage des Wohnens Millionen von Menschen Einzelentscheidungen, die in ihrer Summe immense Auswirkungen auf das Klima haben: Was und wie heute gebaut oder saniert wird, wirkt für viele Jahrzehnte aufs Klima. Mit den vorgelegten Maßnahmen stellen wir dar, wie eine zukunftsweisende Klimagesetzgebung diese Herausforderungen mit einer Mischung aus Anreizen, Verpflichtungen und Förderungen abfedern kann.”
Anders als die Bundesregierung fordert GermanZero basierend auf dem verfügbaren Restbudget Klimaneutralität bis 2035. Mit den geplanten Klimamaßnahmen aus dem Koalitionsvertrag wird Deutschland bis 2045 noch 7,9 Gt CO2e ausstoßen. Nach Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen stehen dem Land allerdings nur noch 2,3 Gt CO2e verfügbar. Die Bundesregierung versäumt es bisher, ihren Reduktionszielen ein Restbudget zugrunde zu legen, an denen sie ihre Maßnahmen ausrichtet.
Alle Details zu den acht Energiemaßnahmen sowie 31 weitere Vorschläge für die Klimawende finden Sie im Klimanotstandspaket. Grafiken finden Sie hier zum Download zu Ihrer Verfügung.
Über GermanZero e.V. :
GermanZero ist eine Klimaschutzorganisation mit dem Ziel, Deutschland bis 2035 klimaneutral zu machen. Unsere Tätigkeitsfelder ergeben zusammen den Fahrplan hin zu einem klimaneutralen Deutschland: Ein 1,5-Grad-Gesetzespaket, das alle gesetzlichen Lösungen auf Bundesebene enthält, Politikgespräche, die diese Lösungen in den politischen Diskurs bringen, sowie das kommunal aktive Netzwerk LocalZero, das jeder Kommune eine Klimavision bietet und dessen Teams Ort für Ort klimaneutral machen. Über 1000 Ehrenamtlichen bietet GermanZero damit wirksame Beteiligungsformate, um konstruktiv gegen die Klimakrise vorzugehen. Die Organisation ergänzt die Protestbewegung mit konkreten Lösungsvorschlägen und treibt die Umsetzung aktiv voran.
Pressekontakt :
Ina Krings
Leitung Kommunikation
Ina.krings@germanzero.de