Die Herausforderung
Der Industriesektor ist der zweitgrößte CO2-Produzent in Deutschland. Hauptgrund hierfür ist die energieintensive Grundstoffindustrie für Stahl, Zement und chemische Grundstoffe wie Ammoniak. Die größte Herausforderung liegt deshalb in der Dekarbonisierung von Industrieprozessen. Sie müssen durch Verfahren ersetzt werden, die ohne fossiler Energieträger auskommen. Doch klimafreundliche Schlüsseltechnologien sind gegenwärtig mit höheren Kosten verbunden, aus denen Wettbewerbsnachteile entstehen.
Die zweite Herausforderung besteht darin, dass der Großteil ihrer Treibhausgasemissionen nicht während der Nutzung, sondern in der Herstellung entsteht. Das Ziel ist, nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft Produkte so lange wie möglich und mit höchstmöglichem Wert in Benutzung zu halten. Auch hier gilt es, Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit als Marktvorteil zu etablieren.
Mit den Klimanotstandsmaßnahmen von GermanZero lassen sich im Industriesektor 45 Millionen Tonnen CO2e einsparen. Das entspricht 83 Prozent der Einsparungen, die nötig sind, um den Sektor bis 2035 klimaneutral zu machen.
Unsere Lösungen
Die Maßnahmen von GermanZero beziehen sich zum einen auf eine intelligente Förderung von klimaneutralen Technologien, von Absatzmärkten für nachhaltige Produkte und von Effizienzmaßnahmen.
Ein weiterer Schwerpunkt zielt darauf ab, Elemente einer Kreislaufwirtschaft zu etablieren und etwa die Langlebigkeit von Produkten zu fördern sowie Materialkreisläufe für Elektronik, Elektrofahrzeuge, Baustoffe und Kunststoff zu stärken.
Hier sind die wichtigsten Gesetzesmaßnahmen für den Umbau des Industriesektors:
Reform des EU-ETS
Einsparpotenzial durch diese Maßnahme bis 2035: 16 Mio. Tonnen.
CO2-Emissionen in der Industrie werden über den europäischen Zertifikathandel (EU-ETS) und seit Beginn des Jahres 2021 indirekt beim Inverkehrbringen von Brennstoffen auch über den nationalen Zertifikathandel (nationales Emissionshandelssystem, nEHS) bepreist. Damit existieren theoretisch zwei wirkungsvolle Instrumente für eine Emissionsreduktion – in der Praxis sind jedoch notwendige, tiefgreifende Reformen bislang ausgeblieben. Im Industriebereich insbesondere relevant ist die noch immer weitgehend kostenlose Zuteilung von Zertifikaten. 2020 traf dies auf Zertifikate für 90 Prozent der Industrieemissionen zu.
Diese kostenlose Zuteilung bleibt auch im Rahmen des Fit for 55 Programms bis mindestens 2030 bestehen und sollte stattdessen durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen ersetzt werden. Die festgelegte Menge an Zertifikaten orientiert sich dabei nach wie vor nicht am 1,5-Grad-konformen Treibhausgasbudget, sondern an den noch immer unzureichenden Klimaschutzzielen der Europäischen Union. Für weitere wichtige Änderungsvorschläge des EUETS und des nEHS siehe ENERGIE Nr. 1 und VERKEHR Nr. 1.
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
Genehmigungsvorschriften für neue Industrieanlagen
Einsparpotenzial durch diese Maßnahme bis 2035: 6 Mio. Tonnen.
Die kapitalintensiven konventionellen Produktionsanlagen in der Industrie – insbesondere Anlagen zur Herstellung von Stahl, Zement oder chemischen Produkten – haben Lebensdauern von weit mehr als 50 Jahren. Um zu verhindern, dass konventionelle Anlagen, die heute errichtet werden, bis weit nach 2035 große Mengen an Treibhausgasen freisetzen, sollten daher ab sofort ausschließlich Neuinstallationen von Industrieanlagen, die sich klimaneutral betreiben lassen, erfolgen (1,5-Grad-Gesetzespaket S. 288).
Verankerung einer Möglichkeit zum klimaneutralen Betrieb als Genehmigungsvoraussetzung
Einführung einer rechtssicheren Klimaneutralitätsdefinition
Festlegung des Stichdatums 01.01.2035
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
Kein Einsatz von fossilen Brenn- und anderen energetischen Einsatzstoffen in Industrieanlagen ab 2035
Einsparpotenzial durch diese Maßnahme bis 2035: 4 Mio. Tonnen.
Sofern ein effektives CO2-Bepreisungsregime nicht umgesetzt werden sollte, wäre es alternativ denkbar, ein gesetzliches Verbot fossiler Brennstoffe in Industrieanlagen zum Zwecke der Energieversorgung ab 2035 zu implementieren. Dadurch würde Planungssicherheit für die Unternehmen geschaffen und somit Fehlinvestitionen vorgebeugt.
Festlegung eines Verbots der Nutzung fossiler Brennstoffe in Industrieanlagen zur Energieversorgung ab dem 01.01.2035
Schaffung von Ausnahmetatbeständen für CCS/CCU
Implementierung einer Entscheidungsregelung
Möglichkeit der Einzelfallprüfung
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
Finanzielle Unterstützung von Unternehmen in der Transformationsphase
Einsparpotenzial durch diese Maßnahme bis 2035: 3 Mio. Tonnen.
Eines der Hauptargumente gegen effektivere Maßnahmen zur Emissionsreduktion stellt die Sorge vor einer Schwächung der deutschen/europäischen Wettbewerbsfähigkeit dar. Dabei wurden längst effektive Instrumente entwickelt, um ökonomische Härten abzufedern. Dazu zählen die
Einführung von Carbon Contracts for Differene (CCfDs)
Einführung einer unternehmensbezogenen Klimaprämie
Finanzielle Förderung von Transformationsprojekten
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
Grenzausgleich: Endproduktabgabe
Da Unternehmen im internationalen Wettbewerb die unternehmensinternen CO2-Kosten durch den CO2-Preis nicht immer an die Konsument:innen weitergeben, ist ein Instrument notwendig, das ein Level-Playing-Field für die Industrie schafft. Gelingen könnte dies durch die
Einführung einer Endproduktabgabe
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
Stärkung der Kreislaufwirtschaft
Einsparpotenzial durch diese Maßnahme bis 2035: 2 Mio. Tonnen.
Im derzeitigen Wirtschaftssystem bauen Produktion und Nutzung weitgehend auf ein lineares „Take-Make-Waste“ Prinzip: Ressourcen werden gewonnen, verarbeitet, verwendet und schlussendlich meist als Abfall entsorgt. Das Modell der Kreislaufwirtschaft ist der Gegenentwurf dazu: Sie beruht darauf, bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich zu nutzen. Dies geschieht insbesondere durch Wiederverwendung und Reparatur bestehender Produkte und ihrer Bestandteile.
Ist beides nicht mehr möglich, werden Produkte wieder in ihre Ausgangsstoffe zerlegt (Recycling) und dann erneut für die Herstellung von Produkten verwendet. Der Lebenszyklus von Produkten wird so verlängert und das Abfallaufkommen auf ein Minimum reduziert.
Um Ressourcen so lange wie möglich sowie mit höchstmöglichem Wert in Benutzung zu halten und dadurch die emissionsintensive Primärmaterial-Produktion zu verringern, sollte Deutschland schnellstmöglich eine konsequente Kreislaufwirtschaft aufbauen:
a) Novellierung der Ökodesign-Richtlinie
Implementierung des Top-Runner-Ansatzes
Erweiterung des Anwendungsbereichs
Einführung eines reparaturfähigen Produktdesigns
Verbesserung des Zugangs zu Reparatur- und Wartungsinformationen
b) Höhere Besteuerung von Rohbenzin
Aufhebung der steuerlichen Subventionierung von Rohbenzin
c) Verbindliche Mindesteinsatzquoten für Rezyklate
d) Materialkreislauf Elektro- und Elektronikgeräte stärken
Pfandsystem für Elektro- und Elektronikaltgeräte
Systematisierte Rücknahme durch Vertreiber:innen
Einfache Entnahme und Austausch von Akkumulatoren und Batterien
Verpflichtender Reparatur-Index
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
Regelung des begrenzten Einsatzes von CCU/CCS
Einsparpotenzial durch diese Maßnahme bis 2035: 1 Mio. Tonnen.
Im Jahr 2015 waren die nicht energiebedingten Prozessemissionen der deutschen Industrie für ca. 7 % der Jahresgesamtemissionen in Deutschland verantwortlich. Nicht alle dieser Prozessemissionen, lassen sich jedoch nach dem gegenwärtigen Stand der Technik vermeiden.
Zumindest für die derzeit nicht vermeidbaren, nicht energiebedingten Prozessemissionen ist der Einsatz von CCS (Carbon Capture and Storage) und CCU (Carbon Capture and Utilization) damit gegenwärtig und zumindest übergangsweise notwendig. Der dafür erforderliche Rechtsrahmen sollte im Rahmen der bundespolitisch angekündigten Carbon-Management-Strategie (CMS) entsprechend weiterentwickelt werden (1,5-Grad-Gesetzespaket S. 302ff.):
Aufhebung der Sperrfrist
Streichung der Länderklausel
Einrichtung eines Dialogforums
Bundeskompetenz zur raumordnerischen Gesamtplanung
Begrenzung des Speichervolumens
Vorrang von CCU vor CCS:
Aufbau einer Transportinfrastruktur
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
Nachhaltige öffentliche Beschaffung stärken
Einsparpotenzial durch diese Maßnahme bis 2035: 1 Mio. Tonnen.
Die öffentliche Hand ist eine wichtige Abnehmerin von Waren und Dienstleistungen - jährlich werden mehr als 350 Milliarden EUR für die öffentliche Beschaffung ausgegeben. Über die Vergabekriterien in öffentlichen Ausschreibungen besteht daher ein erheblicher Hebel, die Eigenschaften und Produktionsbedingungen der erworbenen Produkte zu beeinflussen.
Bis jetzt gab es keine verpflichtenden Vorgaben für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung, was erklärt, weshalb im Jahr 2015 bei nur rund 2,4 % der öffentlichen Beschaffungen Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt wurden. Die neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima), welche am 01. Januar 2022 in Kraft trat, gilt nur für die öffentliche Beschaffung der Dienststellen des Bundes. Die Dienststellen der Länder und Kommunen unterliegen weiterhin keinen Bestimmungen. Dabei erfolgen circa 88 % der öffentlichen Beschaffung auf Kommunal- und Landesebene. Notwendige Maßnahme:
Verpflichtende Nachhaltigkeitskriterien bei öffentlichen Beschaffungen
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
Klimaschädliche fluorierte Treibhausgase verringern
Einsparpotenzial durch diese Maßnahme bis 2035: 9 Mio. Tonnen.
Fluorierte Treibhausgase (F-Gase) schädigen zwar nicht die Ozonschicht, weisen allerdings ein erhebliches Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP) auf und fördern so die Klimaerwärmung. Das GWP liegt bei manchen F-Gasen um bis zu 24.000-mal über dem GWP von CO2. In Deutschland ist R134a (Tetrafluormethan) das am häufigsten verwendete fluorierte Treibhausgas. Dessen GWP ist 1430-mal stärker als CO2.
Die Emissionen der F-Gase beliefen sich in Deutschland im Jahr 2019 auf circa 10 Mio. t CO2 -Äquivalente. Überwiegend werden fluorierte Treibhausgase (dann in Form von HFKW) heute als Kältemittel beispielsweise in Kälte- und Klimaanlagen, Kühlschränken und Wärmepumpen eingesetzt. Durch unprofessionelle Entsorgung oder Reparaturen der Geräte und durch Leckagen entweichen F-Gase in die Atmosphäre. Notwendige Maßnahme:
Verwendung von natürlichen Kältemitteln
Details: s. Klimanotstandspaket und 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero
56 Mio. Tonnen
CO2 pro Jahr
stoßen die Hochöfen und Werke der Stahlindustrie aus - das entspricht etwa 30 Prozent der gesamten Industrieemissionen Deutschlands
79
kg CO2
entstehen im Lebenszyklus eines iPhone X
69
kg CO2
davon lassen sich einsparen, wenn ein iPhone X in der Kreislaufwirtschaft aufbereitet und weitergenutzt wird