Wärmewende

Viel ungenutztes Potenzial für klimaneutrale Gebäude

Drei von vier Haushalten heizen noch mit Öl und Gas. Der Anteil erneuerbarer Energie an der Wärmeversorgung ist sehr gering und beruht überwiegend auf Biomasse. Erst 1,5 Mio. Wärmepumpen sind im Einsatz. Wie zeigen, wie der Weg zu klimaneutralem Wohnen aussehen kann.

Gebäude
01.05.2021
GermanZero

Riesige Einsparpotenziale beim Wärmebedarf

Die „Wärmewende“ steht noch ganz am Anfang. Sie ist ein Baustein der Energiewende, dem in der Vergangenheit viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Während die Stromwende vergleichsweise schnell voranschreitet und heute schon mehr als 42 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen stammt, hat sich bei der klimaneutralen Umgestaltung des Wohnens großer Handlungsbedarf angestaut. Das hat auch damit zu tun, dass, anders als im Stromsektor, rund 15 Millionen Eigentümer*innen dazu bewegt werden wollen, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen.

Doch die Instrumente, diesen Handlungsstau zu lösen, sind vorhanden. Im Wesentlichen geht es darum, die riesigen Einsparpotenziale beim Wärmebedarf auszuschöpfen und Wärme fossilfrei zu erzeugen. Mit den richtigen Anreizen, Informationsprogrammen und Vorschriften lässt sich der Wärmebedarf unsanierter Häuser stark senken.

Auch bei der Wärmeerzeugung führt der Weg zur Klimaneutralität bis 2035 über die richtige Mischung aus Förderung, Information und Regulierungen. Und der Zeitpunkt ist günstig: Im Durchschnitt sind Heizungen in Deutschland seit 17 Jahren im Betrieb, ein Austausch steht in den nächsten Jahren ohnehin an. Mit einem vorgezogenen Einbauverbot für Ölheizkessel (bislang ab 2026 vorgesehen) und einer Begrenzung des Einbaus neuer Gasheizkessel und Förderungen für regenerative Heizungen lässt sich dieser Austausch beschleunigen und sozial verträglich umsetzen.

Wärmepumpen und Fernwärme als Schlüssel

Die erste Säule der Wärmewende: Installation einer Wärmepumpe

Dabei sind Wärmepumpen das System der Wahl. Sie beziehen den Großteil ihrer Energie kostenlos und sauber aus der Umwelt, etwa der Erde, der Luft oder dem Grundwasser und einen kleineren Teil aus Strom. Stammt dieser aus erneuerbaren Quellen, lässt sich Wärme fürs Wohnen völlig emissionsfrei erzeugen. Ein steigender CO2-Preis bei gleichzeitig sinkenden Stromkosten macht Wärmepumpen als Heizanlage der Zukunft alternativlos günstig.

Neben Wärmepumpen werden Fernwärmenetze weiterhin zum Einsatz kommen, insbesondere dort, wo Wärmepumpen nicht genutzt werden können oder als kalte Nahwärmenetze. Im Moment werden die bestehenden Fernwärmenetze noch überwiegend mit Kohle und Gas betrieben. Doch das wird sich ändern. Denn nach dem Ende fossiler Brennstoffe im Stromsektor wird ihre Wärme überwiegend aus Großwärmepumpen, Solarthermie, Geothermie und Abwärme stammen.

Sanierungsrate steigern

Die zweite Säule der Wärmewende ist die rasante energetische Sanierung des Gebäudebestands, da das Heizen mit Wärmepumpen nur sinnvoll ist, wenn ein Gebäude auch wirklich den Großteil der erzeugten Wärme speichert. Aktuell sind aber rund 89 Prozent der Gebäude in Deutschland nicht optimal energetisch saniert. Nimmt man technisch nicht umsetzbare und denkmalgeschützte Häuser aus, bleiben 16 bis 17 Millionen Gebäude, die bis 2035 zu sanieren sind. Das bedeutet: Die Sanierungsrate muss von 1 Prozent auf 4 Prozent steigen. Dies lässt sich erreichen durch einen Mix aus Verpflichtungen, Förderungen und Anreizen.

30 Prozent der Wohnfläche fallen in die Energieeffizienzklassen G und H. Wenn die Sanierung hier verpflichtend wird, spart das besonders viel CO2. Dabei wird als Ziel Energieeffizienzklasse A vorgegeben — den Eigentümer*innen sind die Maßnahmen zur Erreichung freigestellt. Wer das Ziel verfehlt, muss ein Bußgeld bezahlen, das sich an der Höhe der CO2-Emissionen orientiert. Härtefälle werden mithilfe eines Fonds aufgefangen. Die im Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorgeschriebenen Standards zur Sanierungstiefe werden verschärft.

Bessere Förderung und Kostensenkung

Eine höhere Förderung sichert diese Verpflichtung verfassungsrechtlich ab und fördert die Akzeptanz. Das zeigt die vereinfachte und aufgestockte Bundesförderung für effiziente Gebäude: Die Anträge verdoppelten sich im Vergleich zum Vorjahr.

Die hohen Kosten von Dämmungen lassen sich durch serielle Sanierungen reduzieren. Darüber hinaus sollte der Umsatzsteuersatz auf Handwerkerleistungen zur energetischen Sanierung reduziert werden.

Vermietete Wohnungen

Bei Mietwohnungen profitiert vor allem die Mietpartei von den Energie-Einsparungen. Deshalb wirkt auch der CO2-Preis nicht: Vermieter*innen meiden teure Sanierungen, die ihnen wenig nutzen. Statt wie von der Bundesregierung geplant hälftig, sollten die CO2-Kosten daher zu 100 Prozent den Vermieter*innen auferlegt werden. Zusätzlich steigt der Sanierungsanreiz, wenn der Grundkostenanteil der Heizkosten zwischen beiden Seiten anteilig nach der Energieeffizienzklasse des Gebäudes aufgeteilt wird.

Die Dämmung von Gebäuden ist die zweite Säule der Wärmewende

Die Kosten energetischer Sanierung dürfen derzeit mit 8 Prozent jährlich (max. 3 Euro/m2) auf die Mieter*innen umgelegt werden — das ist ein Grund für den schlechten Ruf solcher (oft zur Gentrifizierung genutzter) Maßnahmen.

Das Problem: Die Modernisierungsumlage richtet sich nach der Investitionshöhe, nicht nach der Qualität. Mieter*innen zahlen die Sanierung, ohne Einfluss auf deren Effizienz oder Sparsamkeit zu haben. Nach dem sogenannten Drittelmodell sollte die Modernisierungsumlage auf 1,5 Prozent abgesenkt werden; öffentliche Fördergelder müssen nicht mehr abgezogen werden. Härtefälle sollten von der Wohngeldkasse übernommen werden. Für die Mieter*innen wird auf diese Weise annähernd Warmmietenneutralität sichergestellt. Zudem steigt die Wohnqualität.

Das Bedürfnis einer Genehmigungspflicht für energetische Sanierungen in so genannten Milieuschutzgebieten entfällt dann. Energetische Sanierungen und andere klimaschützende Maßnahmen werden aus dem Anwendungsbereich von Erhaltungssatzungen ausgenommen.

Weitere Maßnahmen für mehr energetische Sanierung

Als weitere Maßnahmen für die Beschleunigung der energetischen Sanierung schlägt GermanZero vor:

  • Energieausweise laienlesbar und vergleichbar standardisieren: bedarfsbasiert mit ausgewiesenem Verbrauch. Endenergie statt Primärenergie als maßgebliche Steuerungsgröße — dadurch lässt sich der Zustand des Gebäudes als solcher beurteilen, ohne dies mit der Frage nach dem Ursprung des in Anspruch genommenen Energieträgers zu vermengen.
  • Individuelle Sanierungsfahrpläne (iSFP) bei Nutzungsänderung, Umbau, Heizungstausch oder ungünstiger Energieeffizienzklasse verpflichtend machen. Zügige iSFP-Erstellung mit 100 Prozent -Erstattung der Plankosten belohnen.
  • Pilotprojekte zur seriellen Sanierung weiter fördern.
  • Wohnungseigentümergemeinschaften werden verpflichtet, eine Rücklage einzuführen, um eine längerfristige Erhaltungsplanung zu ermöglichen.
  • Ausbildungsoffensive im Handwerk: Fortbildungen und intensivere Beschäftigung mit energetischen Sanierungen und klimapositivem Bauen in der Ausbildung. Finanzielle und soziale Aufwertung von Ausbildung und Beruf.
Jeden Monat gute Nachrichten