Die schlechte Nachricht ist allerdings: Die 1,5-Grad-Grenze kann Deutschland mit diesen Maßnahmen nicht halten. Insbesondere schmerzt, dass das Ziel von 100 % erneuerbarem Strom bis 2035 auf Betreiben der FDP in letzter Sekunde gestrichen wurde. Von einer Koalition unter Führung des „Klimakanzlers“ hätten wir bei diesem überragend wichtigen Ziel mehr Standhaftigkeit erwartet.
Unsere Einschätzung im Detail:
Neue Ausbauziele für 2035 & 2030
Die Emissionen aus dem Stromsektor sind, besonders nach den gefallenen Preisen bei Photovoltaik-Anlagen (PV) und Windanlagen, leichter zu vermeiden als die meisten anderen. Das Ziel sollte sein, schon 2030 keine Treibhausgase mehr bei der Stromproduktion auszustoßen. Der beschlossenen Text garantiert allerdings nicht, dass die Ausbauziele bis 2030 erreicht werden, vor allem vor dem Hintergrund, dass das im Gesetzentwurf festgehaltene Ziel 2035 entfällt. Die aktuell im Klimaschutzgesetz enthaltenen Ziele überschreiten das deutsche Treibhausgasbudget allerdings um ein Vielfaches. Damit wird das 1,5-Grad-Limit gerissen.
Die für das Jahr 2030 angesetzte Strommenge (750 TWh) ist – obwohl das BMWK hier schon nach oben korrigiert hat – nach wie vor zu niedrig, um den Bedarf zu decken, der durch neue Elektroautos und Wärmepumpen entstehen wird.
Darüber hinaus wird für die Bereitstellung dieser Strommenge auch noch im Jahr 2030 ein signifikanter Anteil durch lange laufende Gaskraftwerke gestellt werden müssen. Der Entwurf steht daher dem Ziel, den Import fossiler Energieträger insbesondere aus Russland zu reduzieren, entgegen.
Anhebung der Ausbaupfade & Ausschreibungsmengen
Die Ausbaupfade und Ausschreibungsmengen für die verschiedenen Erneuerbaren-Technologien orientieren sich an den Ausbauzielen für die Jahre 2030 und 2035. Da die Ausbauziele zu niedrig sind, sind auch die Ausbaupfade und Ausschreibungsmengen zu gering bemessen. Beide müssten so angepasst werden, dass schon 2030 mehr als 750 TWh an vollständig grünem Strom zur Verfügung stehen.
Vorrang für Erneuerbare in Schutzgüterabwägungen
Die Einstufung der Nutzung von Erneuerbaren Energien (inklusive Wasserkraft) als im „überragenden öffentlichen Interesse“ und als Schutzgut der „öffentlichen Sicherheit“ halten wir für hilfreich. Wir definieren Erneuerbare Energien in unserem Gesetzespaket ebenfalls inklusive Wasserkraft, deswegen finden wir es sinnvoll, dies aufzunehmen. Dadurch wird eine rechtliche Grundlage geschaffen, um in Planungs- oder Genehmigungssituationen, in denen das Interesse am Ausbau Erneuerbarer Energien anderen gesellschaftlichen oder Umweltinteressen gegenübersteht, dem Ausbau Vorrang einzuräumen.
Unklar ist, ob die generelle Regelung im EEG ausreicht, oder ob nicht eine zusätzliche Regelung in anderen Fachgesetzen (z.B. dem BauGB, BNatSchG) notwendig ist. Dadurch würde in jedem Fall mehr Rechtssicherheit geschaffen werden.
Mit Blick auf den Natur- und Artenschutz haben sich das BMWK und das BMUV Anfang April auf ein Eckpunktepapier geeinigt, das Bestandteil des Sommerpakets sein wird. Dieses enthält detaillierte Regelungen, wie Windenergieausbau mit Natur- und Artenschutz in Einklang gebracht werden kann. U.a. ist vorgesehen Vorgaben für den Schutz bestimmter Vögel verbindlich festzulegen sowie Flächen auch in bestimmten Naturschutzgebieten auszuweisen. Diese Regelungen dürften so seitens Anlagenplanern und Genehmigungsbehörden für ein Mehr an Rechtssicherheit sorgen.
Windenergie an Land – erste Detailverbesserungen
Die vorgesehenen Detailverbesserungen sind:
• pro Jahr vier Ausschreibungsrunden statt wie bisher nur drei
• Aufhebung der Größenbegrenzung für Pilot-Windkraftanlagen
• längere Frist für bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung
• Erweiterung Funknavigationsbericht
• Notifizierungsverfahren für Südquote
• Kooperationsausschuss von Bund und Ländern
Diese Maßnahmen sind grundsätzlich sinnvoll. Repowering-Maßnahmen sind insgesamt hilfreich, da bereits bestehende (Infra)Struktur verwendet wird. Diese Maßnahmen sind grundsätzlich sinnvoll. Weitergehende Maßnahmen sind für das Sommerpaket vorgesehen, zum Teil ergeben sie sich bereits aus dem Eckpunktepapier von BMWK und BMUV.
Die Ziele auf 2027 zu verschieben ist jedoch zu langsam.
Solarenergie – Maßnahmenbündel
• Anpassung der Vergütung & Ausschreibungen
• Moorflächen für Freiflächen-PV
• Förderung von Agri-PV, Floating-PV & Parkplatz-PV
Die verschiedenen Vorschläge zur Anpassung der Vergütungssätze und der Ausschreibungen im Bereich PV halten wir auf den ersten Blick für geeignet. Insbesondere die Anhebung der Ausschreibungsmengen und der verstärkte Fokus darauf, auch Freiflächen-PV voranzutreiben, halten wir für richtig.
Von anderen Verbänden gibt es unterschiedliche Positionen, ob die Vergütungssätze hoch genug sind, um die Anlagen langfristig wirtschaftlich betreiben zu können. Zum Teil wird bemängelt, dass widersprüchliche Anreize gesetzt werden bzgl. Netzeinspeisung und Eigenversorgung.
Die Ausweitung der Flächenkulisse für PV halten wir für sinnvoll, ebenso wie die weitere Förderung von besonderen Solaranlagen wie Agri-PV.
Erleichterung & Förderung von Bürgerenergie
Die Befreiung der Bürgerenergiegesellschaften von der Pflicht zur Teilnahme am Ausschreibungsverfahren ist absolut sinnvoll. Bürgerenergiegesellschaften werden so vom bürokratischen Aufwand des Verfahrens und auch von der Unsicherheit über einen Zuschlag, also ein erfolgreiches Durchlaufen des Verfahrens, befreit. Insbesondere letzter Punkt macht es für diese Gesellschaften in der Folge einfacher an Kapital zur Finanzierung ihrer Anlagen zu kommen. (Ausführlich erklärt haben wir dies in unserer Stellungnahme zur Dezentralen Energiewende).
Sinnvoll ist auch, dass im gleichen Atemzug die Definition der Bürgerenergiegesellschaft enger gefasst und so sichergestellt wird, dass sich primär kleinere, lokale Akteure an ihnen beteiligen und nicht etablierte Marktunternehmen von der Befreiung profitieren.
Was jedoch nach wie vor fehlt, ist ein ganzheitliches Konzept zur Förderung von Bürgerenergiegesellschaften. Bisher wird es ihnen noch nicht erleichtert, den in gemeinsamen Anlagen erzeugten erneuerbaren Strom auch kostengünstig und ohne viel administrativen Aufwand vor Ort selbst zu verbrauchen, im Sinne eines sog. „Energy Sharings“. Die bestehenden Regelungen zum Eigenverbrauch und zur Direktlieferung passen nicht zu Energiegemeinschaften. Hier bräuchte es eigentlich einen grundsätzlich neuen Rechtsrahmen.
Finanzielle Beteiligung von Kommunen
Die Ausweitung der finanziellen Beteiligung von Kommunen dahingehend, dass nun auch Anlagenbetreiber, die keine EEG-Förderung erhalten, und solche von Bestandsanlagen mit Kommunen vereinbaren können, dass sie diese finanziell beteiligen, ist nicht falsch. Sie eröffnet einen größeren Raum für die Beteiligung von Kommunen. Eine substanzielle Teilhabe der Kommunen an der Wertschöpfung aus EE-Anlagen vor Ort ist aber nach wie vor nicht sichergestellt, denn die Beteiligung der Kommunen erfolgt freiwillig, steht also im Ermessen der Anlagenbetreiber:innen (eine kritische Einschätzung dazu findet sich in unserer Stellungnahme zur Dezentralen Energiewende).
Wir sehen als Alternative vor, eine Pflicht einzuführen, dass die Kommunen finanziell beteiligt werden müssen. Dadurch wäre sichergestellt, dass bei den Kommunen auch tatsächlich ein Teil der Wertschöpfung ankommt und somit die Akzeptanz der Kommunen und der Bevölkerung vor Ort für EE-Anlagen steigt. Eine verpflichtende Regelung birgt allerdings gewisse Herausforderungen im Abgabenrecht, damit sie rechtssicher ist.
Die Frage, ob die Beteiligung besser freiwillig oder verpflichtend sein sollte, ist bereits viel diskutiert worden. Und es gibt gute Argumente für beide Seiten. Da die Regelung insgesamt noch recht neu ist, wird abzuwarten sein, wie viel sie tatsächlich freiwillig in Anspruch genommen wird.
Förderung von Biomasse als speicherbarer Energieträger
Die Förderung von Biomasseanlagen stärker darauf auszurichten, dass sie als flexible Kraftwerke genutzt werden können, ist sinnvoll. Strom aus Sonne und Wind ist nicht gleichmäßig verfügbar. Umso wichtiger ist es, dass alle Optionen flexibler, erneuerbarer Kraftwerke als solche genutzt werden.
Auch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vergärung von Wirtschaftsdünger ist sinnvoll. So wird ein stärkerer Anreiz gesetzt, dass Biomasseanlagen zukünftig mit sowieso verfügbaren organischen Abfallprodukten wie Mist und Gülle befeuert werden, anstatt mit Nahrungs- und Futtermittelpflanzen wie Mais. Damit geht das Osterpaket in die richtige Richtung; allerdings könnte das „Phase-Out“ für Mais- und Getreidekorn in Biogasanlagen noch schneller vorangetrieben werden.
Einführung des Förderinstruments Differenzverträge
Tendenziell sind Differenzverträge ein faireres Förderinstrument als feste, zugesicherte Vergütungen nach dem aktuellen Fördersystem des EEG. In anderen Staaten, z.B. Großbritannien, kommen sie bereits zum Einsatz. Bei Differenzverträgen schließen Anlagenbetreiber:innen und Staat einen Vertrag, wonach ein Stromwert bestimmt wird, zu dem die Anlage wirtschaftlich betrieben werden kann, und wenn der Marktpreis für Strom unter diesem Wert liegt, gleicht der Staat diese Differenz im Sinne einer Förderung aus. Liegt der Marktpreis jedoch über diesem Wert, dann zahlt der/die Anlagenbetreiber:in den Mehrverdienst an den Staat. Bei den aktuell sehr hohen Strompreisen machen tatsächlich viele EE-Anlagenbetreiber hohe Gewinne und beziehen aber weiterhin auch noch die EEG-Förderung. Hier zeigt sich, dass Differenzverträge ein faireres Modell sind.
Eine Umstellung ist aber umstritten, weil diese einen aufwändigen Systemwechsel bedeuten würde. Entsprechend gibt es sehr unterschiedliche Positionen von Branchenverbänden. Gerade mit Blick auf die Tatsache, dass bei Offshore-Anlagen nur wenige Akteure beteiligt sind, ist es jedoch ein interessanter Versuch, hier einen Systemwechsel zu ermöglichen. Zumal das Osterpaket nur vorsieht, dass ein Rechtsrahmen geschaffen wird und die Einführung geprüft und erprobt wird.
Innovative Anlagen – Anpassung der Vergütung
• Fokus auf Stromspeicher-Anlagen
• H2-Readiness von Biomethan & KWK-Anlagen
Die Umstellungen sind auf den ersten Blick sinnvoll. Vor allem die stärkere Fokussierung auf Speicherkonzepte halten wir für richtig. Unser 1,5-Grad Gesetzespaket enthält Vorschläge für einen Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur (S. 201f., S. 248).
Wir haben darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen von kleineren Maßnahmen zur Förderung von Energiespeichern im EEG. So sollte in das EEG eine Definition von Energiespeichern aufgenommen werden (S. 245). Energiespeicher sollten zudem möglichst finanziell entlastet werden (S. 246).
Abschaffung der EEG-Umlage und Refinanzierung über EKF
Grundsätzlich halten wir die Abschaffung der EEG-Umlage und die Ausgleichs- und Abschlagszahlungen aus den Energie- und Klimafonds für sinnvoll. Das Entfallen der EEG-Umlage bedeutet, dass der Strompreis für Endverbraucher:innen sinkt. Ungeachtet der aktuell – aus anderen Gründen – hohen Energiepreise wird die Vergünstigung für die Verbraucher:innen spürbar sein.
In den letzten Jahren machte die EEG-Umlage einen gewichtigen Anteil am Strompreis, den die Endverbraucher:innen pro kWh gezahlt haben, aus – im Jahr 2020 durchschnittlich 11,6% der Stromkosten von Privathaushalten und bis zu 31% bei Industrieunternehmen. Durch die Vergünstigung des Strompreises wird ein Anreiz gesetzt, auf klimaneutrale, strombasierte Technologien wie Wärmepumpen, E-Fahrzeuge oder für Unternehmen auch strombasierte Industrieprozesse umzusteigen.
Den von der Bundesregierung nun gewählten Weg der sofortigen Abschaffung der EEG-Umlage können wir gut mitgehen.
Sonstige Strom-Umlagen – Anpassung & Neuregelung im EnUG
Die Anpassungen sind durchaus sinnvoll. Vor allem die Neuregelung im EnUG schafft eine rechtssichere Grundlage. Es hätte jedoch Potenzial bestanden, den Strompreis durch eine Abschaffung der Umlagen weiter zu reduzieren.
Vor allem die Befreiung von Eigenverbrauch, Direktlieferung, Speichern und Wärmepumpen von den genannten Umlagen ist absolut sinnvoll und führt dazu, dass diese – gerade für lokale Akteure wichtigen – Vermarktungs-/Nutzungsoptionen wirtschaftlich attraktiver werden.