Seit es uns Menschen gibt, erzählen wir uns Geschichten. Nicht nur zur Unterhaltung, sondern weil sie unserem Dasein einen Sinn geben. Wir erzählen sie, um Wissen zwischen Generationen weiterzugeben, um uns in Zeiten der Krise zu beruhigen, um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und um das Unbegreifliche in der Welt begreifbar zu machen. Aber vor allem erzählen wir sie, um uns selbst zu versichern, dass wir auf der richtigen Seite stehen.
Eine der mächtigsten Erzählungen der Moderne ist die des linearen Fortschritts: Mehr Produktion und Konsum kommen allen zugute, sorgen für Wohlstand und Sicherheit. Doch im Jahr 2024 wirkt diese Geschichte brüchig. Das Bewusstsein wächst, dass unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht funktionieren kann. Trotzdem halten wir an dieser Erzählung fest, obwohl ihr Zenit längst überschritten ist, getrieben von einer Mischung aus Verzweiflung und Trotz. Was hat sich geändert? Wir sind dabei, die Lebensgrundlagen der Menschheit zu verheizen. Das Versprechen des Fortschritts setzte auf Innovationen, vor allem aber auf fossile Brennstoffe. Öl, Kohle, Gas waren der Treibstoff für unseren Traum. Das hat dazu geführt, dass wir jedes Jahr so viele Treibhausgase in die Atmosphäre blasen wie die Natur in einer Million Jahre eingelagert hat. Dass wir den Preis dafür erst jetzt begreifen, spricht weniger für die Klugheit des homo sapiens als für eine gefährliche Trägheit, mit der er auf die auf die größte Herausforderung der Menschheit reagiert.
Doch es hilft nicht, in einer Aufzählung von Fehlern und Gefahren stecken zu bleiben. Die Frage ist vielmehr: Welche Geschichte erzählen wir uns jetzt, die uns hilft, die Krise zu meistern? Wir stehen an einem Punkt, an dem sich das Narrativ ändern muss, wenn wir uns nicht selbst verlieren wollen. Wir reden viel über Technik, über Klimaneutralität und erneuerbare Energien. Aber erzählen wir uns wirklich etwas Neues, das uns nicht nur ängstigt, sondern auch Hoffnung gibt?
Vielleicht sollte die neue Geschichte nicht nur eine, sondern viele Erzählstränge haben – Wenden, sozusagen. Die Geschichten, die wir uns jetzt erzählen müssen, handeln von einem Wandel, der uns mehr gibt, als er uns nimmt. Sie erzählen von der Energiewende: weg von Kohle, Öl und Gas, hin zu Sonne und Wind. Sie zeigen auf, wie eine Mobilitätswende gelingt, mit weniger, und kleineren Autos, mit Bussen und Bahnen und emissionsfreier Mobilität auch auf dem Land; eine Antriebswende, die uns weg führt vom Verbrennungsmotor, hin zur E-Mobilität; eine Wärmewende, in der Wärmepumpen und klimaneutrale Fernwärme die fossilen Heizsysteme ersetzen. Auch eine Baustoffwende lässt sich erzählen, weg von CO2-intensivem Beton und Stahl, hin zu Baustoffkreisläufen, Holz und anderen Materialien. Schließlich darf auch eine Ernährungswende nicht fehlen, mit weniger tierischen Produkten, die nicht nur der Natur wohl bekommt, sondern Menschen länger und gesünder leben lässt. Und all dies in einem Wirtschaftssystem, das floriert, nicht obwohl es die Grenzen des Planeten respektiert, sondern gerade weil es dies tut – und die Grundlagen seiner eigenen Existenz erhält und pflegt.
Das klingt nach viel, nach Überforderung vielleicht. Aber ist es das? Nicht, wenn diese neuen Geschichten vom dem handeln, was wir mit dem Wandel gewinnen können: Städte, in denen Kinder gefahrlos auf der Straße spielen, wo Parks und grüne Inseln nicht nur durchatmen lassen, sondern auch die Sommerhitze mildern. Gemeinden, in denen Starkregen nicht die Keller flutet, sondern intelligent gesammelt wird, um in trockenen Zeiten verfügbar zu sein. Auch auf dem Land kann sich noch mehr zum Guten wenden, wenn die Bauern Geld dafür erhalten, die Natur zu schützen, statt sie zu zerstören. Und Reisen könnten mit Bus und Bahn zuverlässig Freude machen, so dass das Auto zunehmend verzichtbar wird. Erholung kann nicht nur im Urlaub, sondern schon im Alltag stattfinden. Die Gewerkschaften fordern längst die Vier-Tage-Woche, und je mehr Freizeit wir haben, desto klimaschonender gestalten wir sie: Wir kochen selbst, kaufen auf dem Markt, reisen mit dem Zug. Klimaschutz bedeutet nicht Einschränkung – er bedeutet mehr Lebensqualität, mehr Erholung, mehr Zeit.
Aber wie jede gute Geschichte hat auch diese Widerstände. Sie handelt nicht von Drachen oder bösen Königen, sondern von wirtschaftlichen Interessen. Es sind die Mächte, deren Geschäftsmodell auf der Emission von Treibhausgasen basiert. Sie bezahlen Lobbyisten und pseudowissenschaftliche Thinktanks, um die Transformation zu behindern. Sie bestreiten kaum noch die Realität der Klimakrise, dafür setzen sie darauf, uns zu entmutigen. Sie flüstern uns ein, dass es schon zu spät sei, dass wir allein seien, dass Klimaschutz unser Leben trist und freudlos machen würde.
Dabei wissen wir längst: Das Gegenteil ist der Fall. Es ist nicht zu spät, wir haben weltweit Verbündete, und ja, wenn wir die Transformation endlich ernst nehmen, wird unser Leben besser, nicht schlechter. Was es jetzt braucht, ist nur ein wenig Mut, die alten Geschichten loszulassen und neue zu erzählen.
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