"Riesenimpact" durch kommunales Klima­engage­ment

Wie fünf LocalZero-Teams am Bodensee den Weg zur Klimaneutralität mitgestalten

GermanZero lebt vom Engagement von mehr als 1000 ehrenamtlich Aktiven. Was sie bewegt und was sie konkret fürs Klima tun, ist so vielfältig wie die Städte und Gemeinden, in denen sie aktiv sind.

In loser Folge stellen wir hier Ehrenamtliche mit ihrer GermanZero-Geschichte vor.

Ehrenamt LocalZero / Klimaentscheide
22.05.2024
Markus Sailer

Ganz im Südwesten Deutschlands säumen fünf LocalZero-Teams das Ufer des Bodensees, von Konstanz im Westen bis Friedrichshafen nahe der Grenze zu Bayern. 300.000 Menschen leben in ihrem Einflussbereich, dem Landkreis Bodenseekreis und der Stadt Konstanz. Das Land Baden-Württemberg hat sich 2040 als Zieljahr für Klimaneutralität gesetzt. Immerhin fünf Jahre früher als der Bund - aber aus GermanZero-Perspektive dennoch zu spät. Viele Kommunen haben dieses Ziel jedoch übernommen, was es manchen LocalZero-Teams schwer macht, mehr Tempo zu fordern.

Unterstützung durch die LocalZero-Zentrale

Wie überall im Land berät und unterstützt die LocalZero-Zentrale auch die Bodensee-Teams bei einer Vielzahl von Fragen, von der Teamorganisation über die Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung bis hin zur Bestimmung der wichtigsten Klimamaßnahmen für die Kommune. Im April war unsere Ehrenamts-Koordinatorin Leoni Rohlfs bei den fünf Teams zu Besuch. Mit FriedrichshafenZero haben wir ein Interview geführt. Wie steht es also mit dem Weg zur Klimaneutralität im sonnigen Süden?

Ehrenamts-Managerin Leoni Rohlfs

"Es war toll, die Leute aus den Teams persönlich zu treffen und ihnen bei Teamtreffen über die Schulter schauen zu können," sagt Leoni von der LocalZero-Zentrale. "Es gibt so viele gute Ideen, und die Leute sind super motiviert, in ihrer Kommune den Klimaschutz voranzubringen. Unsere Gespräche haben dabei geholfen, genau zu verstehen, wo wir die verschiedenen Teams am besten unterstützen können."

Konstanz klimapositiv

Klimaschutz selbst in die Hand nehmen: Konstanz klimapositiv

Das zwölfköpfige Team von "Konstanz klimapositiv" ist schon seit Juni 2020 aktiv und damit eines der ersten Mitglieder des LocalZero-Netzwerks. In der Universitätsstadt mit rund 85.000 Einwohner:innen hat der Gemeinderat bereits im Juli 2020 beschlossen, bis spätestens 2035 klimaneutral zu werden. Nach einem sehr aktiven Jahr 2023 sucht das Team aktuell einen neuen Arbeitsschwerpunkt und überlegt, einen Orientierungsworkshop der LocalZero-Zentrale zu nutzen. In der guten Zusammenarbeit mit zahlreichen Akteuren vor Ort sind aktuell Wärmeplanung, Müllverbrennung und Bilanzierung die wichtigsten Themen.

Weitere Infos:

https://konstanz-klimapositiv.de/
https://www.instagram.com/p/CWoIQz4KA54/

ÜberlingenZero

Das 99. LocalZero-Team: Seit 2023 sind die Überlinger mit dabei

Auch in Überlingen, am anderen Ufer des Überlinger Sees, der markanten "Schwanzflosse" des fischförmigen Bodensees, ist das im März 2023 gegründete LocalZero-Team mit seinen 15 Mitgliedern recht zufrieden mit dem Stand der Dinge. Zwar hat die Gemeinde im November 2023 ein Klimaschutzkonzept beschlossen, das erst das Jahr 2040 für die Klimaneutralität vorsieht.

Doch das Team setzt auf Kommunikation, Information und Kooperation mit allen wichtigen Akteuren in der Kommune, um auf eine zügige Umsetzung der geplanten Maßnahmen einzuwirken und die Stadt doch deutlich schneller klimaneutral zu bekommen. Dabei treffen sie bei Verwaltung und Politik auf sehr offene Türen. Aktuelle Themen für das Team sind vor allem Bürgerenergiegenossenschaften, Wärmespaziergänge, die den Isolierungsbedarf von Gebäuden aufzeigen sowie Überlegungen zur politisch etwas heiklen Etablierung eines Klimarats.

Weitere Infos:

https://ueberlingenzero.de/
https://www.instagram.com/ueberlingenzero/

Uhldingen-MühlhofenZero

Uhldingen-MühlhofenZero auf Instagram

Auch im etwas weiter östlich gelegenen Uhldingen-Mühlhofen funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren recht gut. Die Gemeinde hat im Oktober 2023 ein Klimaschutzpaket beschlossen, mit dem Klimaneutralität bis 2040 angestrebt wird. Um weiter für ein Zieljahr 2035 zu werben, führen die LocalZeroes unter anderem Infoveranstaltungen zu Balkonkraftwerken, Mobilität und Photovoltaik in der Region durch. Die Gegend ist dank vieler Sonnenstunden prädestiniert für eine solare Strom- und Warmwassergewinnung.

Aktuell diskutieren die Uhldingen-Mühlhofener:innen die Nutzung der LocalZero-Plattform LocalMonitoring, mit der Teams der Verwaltung und ihren Mitbürger:innen zeigen können, welche Stationen auf dem Weg zur Klimaneutralität wichtig sind und wie gut ihre Kommune dabei vorankommt. Sehr hilfreich ist dabei auch die Übersicht der Top-Maßnahmen, die besonders hohe Treibhausgaseinsparungen bringen und schnell umzusetzen sind, weshalb sie in jedem Klima-Aktionsplan enthalten sein sollten.

Weitere Infos:

https://www.instagram.com/uhldingen_muehlhofenzero/

Klimaplan Markdorf

Das Team von Klimaplan Markdorf

Das Team im kleinen Städtchen Markdorf war eines der Pionier-Teams bei der Entwicklung von LocalMonitoring und nutzt die Plattform aktuell vor allem, um die Potenziale der Kommune für Wind- und Solarkraft sichtbar zu machen. Auch wenn die Stadt der Initiative distanzierter gegenübersteht, wird das Team nicht müde, seine gewonnenen Erkenntnisse zu teilen.

Generell sind die Markdorfer:innen dankbar für Tipps von anderen Teams zur erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Verwaltung.

Ende April hatte die Initiative ein Gespräch mit dem Landrat und den anderen LocalZero-Teams im Bodenseekreis organisiert. Das Landratsamt zeigte sich sehr interessiert und kooperativ an der Zusammenarbeit. Neben dessen Klimateam war auch Landrat Luca Prayon selbst anwesend – ein erfreuliches Zeichen für den Stellenwert des Klimaschutzes im Landratsamt. Besonders die Frage wie die Zivilgesellschaft noch besser in Klimafragen eingebunden werden kann, wurde diskutiert. In den nächsten Schritten wird das Klimateam des Landratsamtes einen Maßnahmenplan ausarbeiten und möchte die LocalZero-Gruppen in der Umsetzung miteinbinden.

Weitere Infos:

https://www.instagram.com/klimaplan.markdorf/
https://klimaplan-markdorf.de/
linkedin.com/company/klimaplan-markdorf

FriedrichshafenZero - Interview mit Lea Müller-Schanz

Wie die Uhldingen-Mühlhofener:innen und Überlinger:innen ist auch das Team der Industrie- und Messestadt Friedrichshafen noch ziemlich neu, aber von Anfang an sehr aktiv. Mit zahlreichen Aktionen und Beiträgen hat es sich von Anfang an in die Entwicklung der Stadt zur Klimaneutralität eingebracht. Aktuell sucht das Team dringend Verstärkung, weil Gründungsmitglied Miriam Montano für die Gemeinderatswahlen im Juni kandidiert und in der Stadt noch viel Überzeugungsarbeit nötig ist. Wir haben mit Lea Müller-Schanz gesprochen, die für die Friedrichshafener Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit macht.

GermanZero: Lea, die Stadt Friedrichshafen hat letztes Jahr beschlossen, bis 2040 klimaneutral sein zu wollen. Was bedeutet das für eure Arbeit?

Lea: Der Gemeinderat hatte erst kurz vor unserer Gründung das Zieljahr 2040 beschlossen, da hätte es keinen Sinn gemacht, sofort ein Bürgerbegehren mit einem noch früheren Ziel zu organisieren. Für uns war aber klar: Wir werden mit Aktionen und Informationen für die Bürgerinnen und Bürger dafür kämpfen, dass zunächst mal dieses Ziel eingehalten wird – weil die Stadt gerne Dinge beschließt und dann nichts mehr passiert.

"Eine Petition für den Austritt der Stadtwerke aus dem Lobbyverband "Zukunft Gas" hat für ziemlichen Wirbel gesorgt."

Was sind das für Aktionen, mit denen ihr euch eingebracht habt?

Lea: Zunächst mal sind wir gleich nach unserer Gründung den Klimaplan mit der Stadtverwaltung durchgegangen, bevor sie ihn dem Gemeinderat vorgestellt hat. Das war sehr konstruktiv. Der Gemeinderat hätte dann sogar fast beschlossen, dass das Ziel der Klimaneutralität auf 2035 vorgezogen werden soll. Mit einer Stimme Mehrheit wurde es dann leider 2040.

Unsere erste größere Aktion war dann eine vom Umweltinstitut initiierte Petition für den Austritt der Stadtwerke Friedrichshafen aus dem Lobbyverband "Zukunft Gas." Das hat hier für ziemlichen Wirbel gesorgt. Seitdem ist auch die Kommunikation mit der Stadtverwaltung und den Stadtwerken nicht mehr ganz einfach. Viele Gemeinderatsmitglieder sind auch im Aufsichtsrat der Stadtwerke, und es hieß, diese Petition sei geschäftsschädigend gewesen. Das war schon ziemlich krass.

Sorgte für Wirbel in Friedrichshafen: Unterschriftensammlung für den Ausstieg aus dem Lobbyverband "Zukunft Gas"

Das klingt nach schwierigen Bedingungen, um gemeinschaftlich an der Klimaneutralität zu arbeiten. Wie ist denn die Resonanz der Bürger:innen, wenn ihr auf sie zugeht?

Die ist recht unterschiedlich. Bei einer Veranstaltung über ein klimaneutrales Stadtquartier namens "Fallenbrunnen", einer ehemaligen Kaserne, wo sich heute Kultur, Wirtschaft und Bildung konzentrieren, waren richtig viele Leute. Auch für das Thema nachhaltige Energie und Energiegewinnung gibt es ein sehr großes Interesse. Auf der anderen Seite trifft das abstrakte Thema "Klimaneutralität" bei Veranstaltungen und Infoständen nicht auf besonders viel Resonanz. Wir stellen fest, dass es sehr schwierig ist, die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, wenn man in der Presse nicht vorkommt - und da reinzukommen ist hier schwierig.

Meine Kollegin Leoni, die euch vor Kurzem besucht hat, war ganz begeistert von den vielen Vorhaben, an denen ihr trotz aller Schwierigkeiten gerade arbeitet. Worum geht es da?

Lea: Wir konzentrieren uns gerade auf das Thema klimaneutrale Energieversorgung. Kürzlich hatten wir ein Gespräch mit Professor Konrad Reif von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Es ging darum, inwieweit das Dach eines Instituts im Quartier "Fallenbrunnen" für Photovoltaik genutzt werden kann. Das könnte den Startpunkt für eine Energiegenossenschaft bilden.

Außerdem wollen wir so genannte PV-Scouts nach Friedrichshafen bringen. Das sind Leute, die nach einer kurzen Schulung die Bürgerinnen und Bürger zu Fragen rund um Photovoltaik beraten können.

Unser Hauptfokus liegt aber im Moment auf der anstehenden Gemeinderatswahl. Wir machen dafür eine Art Klimawahlcheck und haben dafür einen Fragebogen an alle Fraktionen gesendet. Die Ergebnisse wollen wir vor der Wahl öffentlich machen.

Das Team von FriedrichshafenZero

Meine Kollegin Leoni, die euch vor Kurzem besucht hat, war ganz begeistert von den vielen Vorhaben, an denen ihr trotz aller Schwierigkeiten gerade arbeitet. Worum geht es da?

Lea: Wir konzentrieren uns gerade auf das Thema klimaneutrale Energieversorgung. Kürzlich hatten wir ein Gespräch mit Professor Konrad Reif von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Es ging darum, inwieweit das Dach eines Instituts im Quartier "Fallenbrunnen" für Photovoltaik genutzt werden kann. Das könnte den Startpunkt für eine Energiegenossenschaft bilden.

Außerdem wollen wir so genannte PV-Scouts nach Friedrichshafen bringen. Das sind Leute, die nach einer kurzen Schulung die Bürgerinnen und Bürger zu Fragen rund um Photovoltaik beraten können.

Unser Hauptfokus liegt aber im Moment auf der anstehenden Gemeinderatswahl. Wir machen dafür eine Art Klimawahlcheck und haben dafür einen Fragebogen an alle Fraktionen gesendet. Die Ergebnisse wollen wir vor der Wahl öffentlich machen.

"Wenn wir einmal die Stadtverwaltung dazu bringen, eine der wichtigen Maßnahmen umzusetzen, dann hat das einen Riesenimpact!"

Auf Unterstützungsangebote von eurer Seite reagiert die Verwaltung eher zurückhaltend. Was motiviert dich dennoch zu den vielen Aktivitäten, die ihr durchführt?

Lea: Ich glaube, die Motivation kommt zum einen daher, dass ich es so schlimm finde, dass die Leute die Klimakrise permanent von sich wegschieben. Aber zum anderen ist es immer wieder toll zu sehen, wie begeisterungsfähig die Menschen sind; gerade beim Thema Energiewende. Bei Veranstaltungen stehen da zum Beispiel die sprichwörtlichen "alten weißen Männer" auf und sagen: "Wir müssen jetzt was unternehmen!"

Außerdem: Wenn wir einmal die Stadtverwaltung dazu bringen, eine der wichtigen Maßnahmen umzusetzen - zum Beispiel, dass sie jetzt die Weichen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung stellt -, dann hat das einen Riesenimpact! Das motiviert mich.

Weitere Infos zu FriedrichshafenZero:

https://friedrichshafenzero.de/
https://www.instagram.com/friedrichshafenzero/

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