"Für Kommunen wäre es fatal, wenn sie jetzt mit Wasserstoff planen würden."

Interview mit LocalZero-Projektmanager Johannes Hofmann zum Rechtsgutachten über Wasserstoff in der Wärmeplanung.

Ein Rechtsgutachten, das GermanZero gemeinsam mit dem Umweltinstitut München, der Deutschen Umwelthilfe, dem WWF und dem Klima Bündnis in Auftrag gegeben hat, schafft Klarheit für tausende Städte und Gemeinden in Deutschland: Kommunen sollten ihre Wärmeplanung nicht auf Wasserstoff aufbauen, andernfalls drohen enorme finanzielle Risiken.

Johannes Hofmann von LocalZero war an dem Projekt beteiligt.

LocalZero / Klimaentscheide Klimapolitik Gebäude Energie
17.07.2024
Markus Sailer

GermanZero: Johannes, wie heizen die Menschen in Deutschland 2045 idealerweise ihre Gebäude?

Johannes Hofmann: Deutschland hat sich dazu verpflichtet, bis spätestens 2045 klimaneutral zu sein. Aktuell werden noch drei von vier Gebäuden mit Öl oder Gas beheizt. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir sehr schnell auf einen Mix an verschiedenen Technologien umrüsten: Wärmepumpen, Geothermie, Solarthermie.

Warum kommt in deiner Aufzählung Wasserstoff nicht vor? Der hätte doch den Vorteil, dass viele Gasheizungen und die ganzen Leitungssysteme nicht ausgetauscht werden müssten.

Johannes Hofmann von LocalZero arbeitet als Projektmanager rund um das Thema kommunale Wärmeplanung.

Johannes Hofmann: Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Wir ersetzen einfach Erdgas durch Wasserstoff und fertig ist die Wärmewende. Leider ist das nicht so. Wasserstoff ist erstens teuer, zweitens ist er auf absehbare Zeit ein sehr knappes Gut und drittens wäre aktuell sogar das Heizen mit "blauem" Wasserstoff erlaubt, der überhaupt nicht klimaneutral ist.

Teuer ist klimafreundlicher Wasserstoff, weil seine Herstellung ineffizient ist. Er wird mithilfe von grünem Strom aus Wasser erzeugt, dabei gehen etwa 30 Prozent der eingesetzten Energie verloren. Zum Heizen stehen kostengünstigere Alternativen zur Verfügung.

Knapp wird Wasserstoff auch auf lange Sicht bleiben, weil gar nicht so viele Windräder und Solarparks gebaut werden können, wie man bräuchte, um ihn als flächendeckenden Heizenergieträger herzustellen. Zudem gibt es eine hohe Nutzungskonkurrenz mit der Industrie, die ihn z.B. für klimafreundlicheren Stahl braucht.

Und wenn "blauer" Wasserstoff verheizt würde, wäre für das Klima nichts gewonnen, denn der wird aus Erdgas hergestellt.

"Wasserstoff ist teuer und ein auf absehbare Zeit sehr knappes Gut. Aktuell wäre sogar das Heizen mit "blauem" Wasserstoff erlaubt, der überhaupt nicht klimaneutral ist."

Wenn Wasserstoff keine gute Lösung für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung ist, was dann?

Johannes Hofmann: Der Schlüssel zum klimaneutralen Heizen sind dezentrale Lösungen und Wärmenetze. Das sind vor allem Wärmepumpen in den Häusern und erneuerbare Wärmequellen vor Ort. Dafür muss viel geplant werden. Es ist deshalb wichtig, dass die Kommunen keine Zeit damit vergeuden, Wasserstoffnetze zu planen für Wasserstoff, den es noch gar nicht gibt, sondern anfangen, ihre lokalen Wärmequellen für die Wärmenetze zu erschließen: Gewässerwärme, Erdwärme und Sonnenenergie mit Flusswärmepumpen, Geothermie und Solarthermie oder Abwärme zum Beispiel von Industrieanlagen.

Die Kommunen müssen nach der Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in den nächsten Jahren eine Wärmeplanung vorlegen. Worum geht es da genau?

Johannes Hofmann: Mit der Wärmeplanung definiert eine Stadt oder Gemeinde so genau wie möglich, mit welchen Wärmequellen und Technologien die unterschiedlichen Teilgebiete in der Kommune versorgt werden sollen. Also zum Beispiel: "Hier kommt ein Wärmenetz hin, hier müssen die Menschen sich unabhängig versorgen, also vor allem mit Wärmepumpen."

"Rechtssicherheit war uns als Organisation wichtig, weil wir mit LocalZero viele Kommunen in ihrem Bestreben begleiten, ihre Energieversorgung klimaneutral umzubauen."

LocalZero hat gemeinsam mit anderen Organisationen ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das Kommunen empfiehlt, bei ihrer Wärmeplanung nicht mit Wasserstoff zu rechnen. Warum habt ihr das Gutachten in Auftrag gegeben?

Johannes Hofmann: Zunächstmal muss man festhalten, dass es bei den Kommunen ein sehr großes Interesse an rechtlicher Klarheit gibt. GermanZero hat das Gutachten unter anderem mit dem Klima Bündnis Deutschland in Auftrag gegeben, in dem sich mehr als 600 Städte zusammengeschlossen haben. Diese Rechtssicherheit war auch uns als Organisation wichtig, weil wir mit LocalZero viele Kommunen in ihrem Bestreben begleiten, ihre Energieversorgung klimaneutral umzubauen.

Welche Frage stand bei der Klärung im Mittelpunkt?

Johannes Hofmann: Die Kanzlei hat das WPG und das Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf eine wichtige Frage hin geprüft: Wenn Kommunen ihre Wärmeplanung machen, welche Rechte, Pflichten und Handlungsspielräume haben sie bei der Bewertung von Wasserstoff? Das gilt insbesondere bei der Versorgung von Haushalten und Gewerbe an einem bestehenden Gasverteilnetz. Es geht auch darum, die Kommunen und Bürger:innen vor Fehlinvestitionen zu schützen.

Wasserstoff-Infrastruktur
Beim Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur für die Wärmeversorgung drohen große Fehlinvestitionen.

Warum drohen Fehlinvestitionen, wenn Kommunen auf das Heizen mit Wasserstoff setzen?

Johannes Hofmann: Durch die Reform des WPG kommen sehr große Aufgaben auf die Kommunen zu, die sie nicht alle paar Jahre wiederholen können. Städte ab 100.000 Einwohner:innen müssen bis Mitte 2026 eine kommunale Wärmeplanung durchführen, kleinere Städte bis 2028. Gleichzeitig gibt es mächtige Kampagnen von Interessenverbänden der Gasindustrie. Sie wollen die Kommunen dazu bewegen, ihre bestehenden Gasnetze auf Wasserstoff umzustellen.

Aber mit der Wärmeplanung stellen die Kommunen die Weichen, welche Infrastruktur neu gebaut oder umgebaut werden muss. Es geht um riesige Investitionen, auch für die Bürger:innen, die in der nächsten Zeit vor der Entscheidung stehen, welche Art von Heizung sie sich einbauen sollen. Deshalb dürfen die Kommunen jetzt keine Fehlentscheidungen für Technologien treffen, die später gar nicht genutzt werden können oder sehr hohe Kosten verursachen. Das Rechtsgutachten gibt ihnen Sicherheit, wie sie sich gegenüber dem Drängen der Wasserstofflobby verhalten können.

"Die Kommunen dürfen jetzt keine Fehlentscheidungen für Technologien treffen, die später gar nicht genutzt werden können oder sehr hohe Kosten verursachen."

Was ist das wichtigste Ergebnis des Rechtsgutachtens?

Johannes Hofmann: Das wichtigste Ergebnis ist, verkürzt gesagt: In den meisten Fällen werden die Gasverteilnetzbetreiber nicht rechtzeitig verbindliche Pläne vorlegen können, damit die Kommunen in ihrer Wärmeplanung bis 2026 bzw. 2028 verlässlich mit Wasserstoff planen können. Kommunen sollten es deshalb in der Regel nicht verantworten, Wasserstoffnetzgebiete zu planen und zu beschließen, die Haushaltskunden versorgen sollen.

Was bedeutet das konkret für die Kommunen, die an ihrer Wärmeplanung arbeiten?

Johannes Hofmann: Das bedeutet vor allem: Kommunen haben starke Rechte. Sie können sich rechtssicher und mit wenig Aufwand gegen Wasserstoff zum Heizen und gegen die Umstellung des örtlichen Gasnetzes auf Wasserstoff für Haushaltskunden entscheiden. Die Gutachter kommen sogar zu dem Schluss, dass eine Wärmeplanung mit Wasserstoffnetzgebieten nur dann verantwortbar ist, wenn die lokalen Gasnetzbetreiber die Umstellung des Gasverteilnetzes samt Finanzierung bereits detailliert geplant und verbindlich zugesagt haben. Das ist aber noch gar nicht möglich, weil viele wichtige Voraussetzungen für verlässliche Planungen noch nicht gegeben sind.

Installation einer Wärmepumpe. Kommunen sollten ihre Bürger:innen frühzeitig aufklären, dass sie nicht in neue Gasheizungen investieren sollten, weil kein Wasserstoff für deren Betrieb verfügbar sein wird.

"Kommunen können sich rechtssicher und mit wenig Aufwand gegen Wasserstoff zum Heizen entscheiden."

Kann man also sagen: Für Kommunen sollte es die Regel sein, ihre Wärmeversorgung nicht mit Wasserstoff zu planen?

Johannes Hofmann: Man kann sagen, dass die Wärmeversorgung von Haushalten und Gewerbe nicht mit Wasserstoff geplant werden sollte. Für die gezielte Versorgung von Industriegebieten, einzelnen industriellen Nutzern oder Kraftwerken können aber durchaus auch später Fahrpläne vereinbart werden.

Warum ist das Gutachten gerade jetzt so wichtig?

Johannes Hofmann: Es gibt eine mächtige Gaslobby, die intensiv dafür wirbt, Wasserstoff als klimaneutralen Heizstoff zu verwenden. So hat die Initiative "H2vorOrt," hinter der unter anderem der Lobbyverband DVGW steht, einen "Gasnetzgebietstransformationsplan" (GTP) veröffentlicht, der dazu dienen soll, Wasserstoff über bestehende Gasverteilnetze nutzbar zu machen. Doch dieser GTP hat nichts mit dem im GEG vorgeschriebenen "Fahrplan zur Transformation der Gasverteilnetze" zu tun, über den einer Kommune Versorgungssicherheit mit Wasserstoff zugesichert werden müsste.

Das Gutachten stellt klar, dass sich Kommunen von solchen Angeboten nicht in die Irre leiten lassen dürfen.

"Allein 2021 wurden 635 Millionen Euro in den Neu- und Ausbau von Gasleitungen investiert. Aus heutiger Sicht waren das teilweise Fehlinvestitionen."

Das Interesse der Gaslobby am Erhalt ihrer Infrastruktur ist verständlicherweise groß.

Johannes Hofmann: Die Gasindustrie hat natürlich ein Interesse, ihr Geschäftsmodell so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Allein 2021 wurden 635 Millionen Euro in den Neu- und Ausbau von Gasleitungen investiert. Aus heutiger Sicht waren das teilweise Fehlinvestitionen. Aber die Leidtragenden dürfen nicht die Kommunen und die Verbraucher:innen sein. Es gibt Szenarien für die Energieversorgung, denen zufolge die Länge von Gasverteilnetzen um 71 bis 94 Prozent zurückgehen wird. Für Kommunen wäre es deshalb fatal, wenn sie jetzt mit Wasserstoff planen würden. Es ist wichtig, dort das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sie bei ihren Zukunftsinvestitionen auf das richtige Pferd setzen.

Zukunftsinvestition: Das Geothermie-Heizkraftwerk Sauerlach gewinnt Strom für 16.000 Haushalte und stellt gleichzeitig Wärme für sie bereit.

Ihr leitet einfache Handlungsempfehlungen für die Kommunen aus dem Gutachten ab…

Johannes Hofmann: Die wichtigsten Handlungsempfehlungen sind: Schließen Sie Wasserstoff für Haushalte schon in der Eignungsprüfung der Wärmeplanung aus, wenn vom Gasverteilnetzbetreiber kein verbindlicher Transformationsfahrplan nach GEG vorliegt. Kommunizieren Sie frühzeitig an die Bürger:innen, dass es keinen Wasserstoff zum Heizen geben wird, um sie vor Fehlinvestitionen zu schützen. Und dementsprechend: Gehen Sie kein Risiko ein und weisen Sie kein Wasserstoffnetzgebiet aus, wenn kein Fahrplan vorliegt.

Wie sind die ersten Reaktionen aus den Kommunen zu dem Rechtsgutachten?

Johannes Hofmann: Wir haben in der letzten Zeit oft gehört, dass viele Kommunen ihre Wärmeversorgung ohnehin ohne Wasserstoff organisieren wollen. Sie sind sehr dankbar, dass ihnen das Gutachten den Rücken stärkt. Das Wärmeplanungsgesetz (WPG) schlägt die Prüfung von Wasserstoffnetzgebieten so selbstverständlich vor, dass viele Kommunen davor zurückschrecken, Wasserstoff frühzeitig auszuschließen. Mit dem Gutachten gibt es nun eine rechtssichere Erklärung und die Möglichkeit, dass Kommunen das jetzt in der Breite tun können.

"Viele Kommunen wollen ihre Wärmeversorgung ohne Wasserstoff organisieren und sind dankbar, dass ihnen das Gutachten den Rücken stärkt."

Das Gutachten hat tatsächlich einen Nerv getroffen. Die öffentliche Resonanz war groß.

Johannes Hofmann: Es freut uns, dass die Presse erkannt hat, welche Bedeutung die Wärmeplanung für die Zukunft der Kommunen hat. Es gab Berichte in überregionalen Zeitungen wie dem Handelsblatt, Tagesspiegel Background oder Focus, sowie in vielen Lokalzeitungen und Fachzeitschriften.

Wir haben gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern eine sehr hohe Reichweite erzielt. Das Infoschreiben zum Gutachten ging an mehr als 7000 Kommunen. Und zum Webinar mit kommunalen Entscheidungsträger:innen kamen mehr als 300 Teilnehmer:innen.

"Mehr als ein Dutzend Teams von Aachen bis Dresden, Eberbach bis Bremen haben schon angefangen, unsere Empfehlungen in die Tat umzusetzen."

Welche Stärken hat LocalZero in die Kooperation eingebracht?

Johannes Hofmann: Die große Stärke von LocalZero sind die mehr als 90 Lokalgruppen. Damit sind wir an vielen Orten im engen Kontakt mit Politik, Verwaltung und Bürger:innen in den Kommunen. Wir kennen deren Pläne, ihre Anliegen und Sorgen. Das hat beim Zuschnitt des Projektes sehr geholfen.

Auch jetzt, wo das Gutachten vorliegt, zahlt sich diese lokale Vernetzung aus. Unsere Lokalteams können die Ergebnisse sehr gut in ihre Kommunen hineintragen. Wir schlagen verschiedene Aktionen vor, zum Beispiel dass sie Gespräche mit Politik und Verwaltung über Wasserstoff in der Wärmeplanung organisieren oder entstehende Wärmepläne mit Stellungnahmen kommentieren. Mehr als ein Dutzend Teams von Aachen bis Dresden, Eberbach bis Bremen haben schon angefangen, solche Aktionen in die Tat umzusetzen.

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