Unterwegs zu einer klimaneutralen Industrie

Unternehmer:innen fordern klare Leitplanken von der Politik

Dass sich Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg sehr gut miteinander verbinden lassen, beweisen Pionier:innen aus den verschiedensten Sparten schon heute. Doch bisher hängt vieles noch von der persönlichen Überzeugung ab.

Industrie Klimapolitik Wirtschaft
20.12.2021
Brigitta Strigl und Markus Sailer

Die Industrie ist nach dem Energiesektor der größte Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland. 178 Millionen Tonnen, ein Viertel der heutigen Emissionen, gilt es bis 2035 zu reduzieren, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Klare Leitplanken für den gesamten Sektor hat die Politik bislang nicht gesetzt. Daher ist die Forderung von GermanZero klar: Es braucht eine Kombination von Förderungen, Vorschriften, Anreizen und Preismechanismen, damit sich nachhaltige Produktionsweisen flächendeckend durchsetzen.

Planbarer CO2-Preis

Eines der stärksten Instrumente auf dem Weg zur Klimaneutralität besteht in einem CO2-Preis, der die enormen ökologischen Kosten der CO2-Emissionen im Preis von Produkten und Dienstleistungen widerspiegelt. Klimaschädliche Prozesse sollten bis 2035 unwirtschaftlich werden.

Für Antje von Devitz, CEO der Outdoor-Marke Vaude, schaffen klare Vorgaben hier mehr Investitionssicherheit für Unternehmen. Sie fordert „eine geradlinige Politik, die planbar zu realistischen CO2-Preisen führt." Der aktuelle CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne spiegelt die Umweltschäden der Treibhausgase in keiner Weise wider. Laut Umweltbundesamt liegen diese bei 180 Euro pro Tonne. Zudem ist der CO2-Preis aktuell nur bis 2025 konkret vorgegeben. Wirtschaftliche Planbarkeit sieht anders aus.

Zu den von GermanZero vorgeschlagenen Maßnahmen gehört daher neben einem deutlich erhöhten Startpreis von 80 Euro pro Tonne ein klar vorgezeichneter Preisanstieg bis 2035.

Kreislaufwirtschaft & klimaneutrale Anlagen

Ein weiterer wichtiger Punkt für eine klimafreundliche Wirtschaft besteht darin, Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten und Materialien als Marktvorteil zu etablieren. „Die Entwicklung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sollte stärker gefördert werden“, findet auch Jens Christoph Bidlingmaier, General Manager Northern Europe beim Küchengeräte-Hersteller Whirlpool. Wie das gelingen kann? Das 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero sieht vor, Quoten für die Verwendung recycelter Rohstoffe einzuführen.

Auch CO2 selbst lässt sich im Sinne der Kreislaufwirtschaft nutzen. Unvermeidbare CO2-Emissionen sollen künftig aufgefangen werden und in die Herstellung von Grundstoffen fließen, die CO2 als Rohstoff nutzen, z. B. E-Fuels. Auch wenn dies nach einer eleganten Lösung klingt: Eine klimaneutrale Industrie kann nur geschaffen werden, wenn Emissionen wo immer möglich vermieden werden. Aus diesem Grund sieht das 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero eine Kombination von Förderinstrumenten und Regularien vor. So sollten ab sofort nur noch Produktionsanlagen neu zugelassen werden, wenn sie nachweislich klimaneutral betrieben werden können.

Finanzielle Anreize

Zum anderen lässt sich die Einführung klimaneutraler Schlüsseltechnologien, z.B. die wasserstoffbasierte Stahlproduktion, mit so genannten Carbon Contracts for Difference fördern, bei denen der Staat einen Teil der Mehrkosten für klimaneutrale Technik trägt, bis diese sich durch einen entsprechend hohen CO2-Preis von selbst rechnet.

Dass finanzielle Anreize nicht nur in der Schwerindustrie nötig sind, sieht auch Lavinia Muth, Corporate Responsibility Manager des Modelabels Armedangels: „Die Politik wird in nächster Zeit unpopuläre Entscheidungen zur Emissionssenkung treffen müssen. Das Ganze könnte vereinfacht werden mit den richtigen wirtschaftlichen Anreizen."

Öffentliche Beschaffung als Vorreiter

Wie in allen anderen Sektoren, kommt der Öffentlichen Hand auch für die Industrie eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, Absatzmärkte für CO2-arme Produkte zu stärken. Geht es nach GermanZero, verpflichtet sich der deutsche Staat so schnell wie möglich, bei seiner öffentlichen Beschaffung nachhaltige und umweltbezogene Kriterien zu berücksichtigen. Eine Maßnahme, die Antje von Devitz von Vaude begrüßt: "Öffentliche Haushalte sollten dazu verpflichtet werden, auf Nachhaltigkeit zu achten und Aufträge an gute Klimabilanzen und Sozialstandards der Anbieter zu binden."

Abgabe für klimaschädliche Produkte

Was aber, wenn ein Unternehmen mit Technologien oder Rohstoffen arbeitet, für die es schwierig ist, klimaneutrale Alternativen zu finden? "Wenn Emissionen in manchen Bereichen schwer reduzierbar sind, sind auch Kompensationszahlungen eine gute Möglichkeit, etwas für den Klimaschutz zu tun," findet Matthias Gebhard, CEO des Online-Bergsporthändlers Bergfreunde. Damit das künftig nicht mehr nur auf Freiwilligkeit basiert, schlägt GermanZero vor, unnötig klimaschädliche Produkte zusätzlich zum CO2-Preis mit einer Klimaabgabe belegen und so den Wettbewerbsnachteil klimafreundlicher Produkte ausgleichen.

Regularien wie diese mögen nach vielen Zumutungen für die Wirtschaft klingen. Doch viele Protagonisten sehen in einem Mehr an Vorgaben auch eine Chance für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. So auch die Unternehmerin Dorothea Sick, Mitgründerin der Organisation Protect the Planet: Es brauche, so Sick, "verlässliche Rahmenbedingungen, die zukunftsweisende Investitionen in den nächsten Jahren ermöglichen. Damit Unternehmen klimaneutral werden und im internationalen Wettbewerb vorne mit dabei sein können."

Gemeinsam mit zahlreichen Unternehmer:innen fordert GermanZero von den Spitzen der kommenden Bundesregierung, was sie vor der Wahl versprochen haben: Machen Sie mutige Klimapolitik, die den Weg frei macht in eine gute Zukunft!

https://klimaschutz-made-in-germany.germanzero.de/