Die harten Debatten im Bundestag zu von Union und SPD geplanten Sondervermögen Infrastruktur haben wieder einmal gezeigt: Klimaschutz wird in konservativen Kreisen immer noch als „linkes“ Thema wahrgenommen, nicht als eines, das wirklich alle Menschen gleichermaßen betrifft. Oft ist es sogar der Trigger für Streit im Privaten und gesellschaftliche Frontenbildung. Parteien wie die AfD mobilisieren Wähler:innen mit militanter Rhetorik und fordern, Windräder wieder abzureißen.
Dabei spricht alles für eine sozial gerechte Klimapolitik: Unsere Wirtschaft würde zukunftsfähiger, unsere Städte grüner, unser Essen gesünder, unsere Busse und Bahnen attraktiver, unsere Radwege sicherer. Aber was nützen die besten Argumente, wenn sie in Politik und Bevölkerung auf reflexhafte emotionale Abwehr stoßen?
Helfen kann eine Kommunikation, die die Erkenntnisse der Sozialpsychologie berücksichtigt.
Warum Menschen sich an ein fossiles Weltbild klammern
Die Sozialpsychologie zeigt: Menschen fürchten den sozialen Tod mehr als den physischen. Der Wissenschaftsjournalist David McRaney gibt hierfür das Beispiel von tödlich an Corona erkrankten Impfgegnern, die noch auf dem Sterbebett Impfungen ablehnen. Weil Menschen die Akzeptanz ihrer Perr Group so wichtig ist, lassen sie sich in ihrer Meinungsbildung nicht nur von Fakten leiten. Sie fragen immer auch: Wenn ich diesen politischen Standpunkt vertrete – wie kommt das an in meiner Bezugsgruppe, in meiner Familie, meinem Freundeskreis oder meiner Partei?
Menschen fürchten den sozialen Tod mehr als den physischen.
Deshalb fördert die Fossil-Lobby gezielt Peer Groups wie die US-amerikanische MAGA-Bewegung, in denen Klimaschutz so verpönt ist wie gute Noten in einer Schulklasse voll großspuriger Halbstarker. In Deutschland sorgen Rechtspopulisten für ähnliche Gruppendynamiken. Auch über das rechte Milieu hinaus wird Klimaschutz markiert als ein Thema „der Linken.“ Anhänger anderer politischer Lager laufen Gefahr, sozial isoliert zu werden, wenn sie es sich zu eigen machen. So halten sich längst entlarvte Energiewende-Mythen wie jene, ohne Fossilkraftwerke drohe Deutschland der Blackout, wenn nachts kein Wind wehe, E-Autos verursachten mehr CO2 als Verbrenner oder mit Kernfusion könne Deutschland seine Klimaziele erreichen.
Doch wenn irrationale Vorurteile erst einmal zur Gruppen-Norm geworden sind: Lässt sich dann überhaupt noch etwas ausrichten? Ist es nicht aussichtslos, Menschen überzeugen zu wollen, die Klimaschutz ablehnen oder als ein Außenseiter-Thema fürchten?
Wann Menschen sich für neue Sichtweisen öffnen
Die Sozialpsychologie hielt es lange für fast unmöglich, tiefsitzende Überzeugungen im Gespräch zu ändern. Bis eine Gruppe von Demokratie-Aktivist:innen in den USA genau dies erfolgreich tat. Das kalifornische „Leadership LAB“ – hat es geschafft, in Haustür-Gesprächen viele konservative Menschen von progressiven Positionen zu überzeugen. Wer sich anschaut, wie sie vorgehen, bekommt einen Eindruck davon, was in den üblichen politischen Streitgesprächen schiefläuft.
„Die Menschen haben genauso Angst vor dir wie du vor ihnen. Sobald du diese Angst überwindest, kannst du wundervolle Gespräche mit Menschen führen, von denen du nie gedacht hättest, dass du sie kennenlernen kannst.“
Ausgangspunkt ihrer Kommunikation ist die Erkenntnis: Sobald sich Menschen angegriffen fühlen, verschließen sie sich und gehen in Verteidigungshaltung. Deshalb machen Gespräche über politische Positionen nur Sinn in einer Atmosphäre von grundsätzlichem Wohlwollen. Egal, was die angesprochene Person sagt: Sie soll sich immer sicher fühlen. „Die Menschen haben genauso Angst vor dir wie du vor ihnen.“ Sagt eine Aktivistin. „Sobald du diese Angst überwindest, kannst du wundervolle Gespräche mit Menschen führen, von denen du nie gedacht hättest, dass du sie kennenlernen kannst.“
In ihren Gesprächen unterlassen es die Aktivist:innen, ihr Gegenüber mit politischen Forderungen zu konfrontieren, die es nicht teilt. Stattdessen fragen sie zunächst nach seiner Meinung zu einem Thema und bekunden aufrichtiges Interesse an Verständnis.
Viele Menschen sehnen sich danach, dass ihnen endlich jemand zuhört und sich aufrichtig für ihre Ansichten interessiert. Wenn sie so eine Person treffen, öffnen sie sich.
Aufmerksam zuhören in einer Atmosphäre, in der es nicht als Niederlage gilt, wenn man seine Meinung ändert. Freundlich zugewandt sein, Fragen einstreuen, die ein Nachdenken anstoßen, wie man zu seiner Überzeugung gekommen ist. Unter diesen Gesprächsbedingungen relativiert ein Gesprächspartner oft selbst seine Überzeugung und stellt Überlegungen an, die dazu führen können, dass er sie ändert.
„Wir sind nicht die Bösen!“
Eine ähnliche Strategie verfolgt die texanische Klimawissenschaftlerin Katharine Hayhoe. Jedes Gespräch über Klimaschutz, sagt sie, seien „drei Gespräche in einem: eines über Fakten, eines über Gefühle und eines über Identität“. Wollen wir einen skeptischen oder ablehnenden Menschen für Klimaschutz gewinnen, gilt es zunächst, so Hayhoe, sich emotional mit ihm zu verbinden. Dann braucht es ein Anliegen, mit dem sich beide Seiten identifizieren. Erst dann ist der Boden bereitet für die Klima-Botschaft, die man anhand des gemeinsamen Anliegens entfalten kann.
Hayhoe schildert als Beispiel in ihrem Buch „Saving Us“ ein Treffen mit Führungskräften eines Öl- und Gas-Konzerns, das in eisiger Atmosphäre begann. Doch Hayhoe hatte ein Thema gefunden, über das sie sich mit den Managern verbinden konnte: Sie sprach über die Segnungen der fossilen Ära.
Ohne fossile Energien, so Hayhoe zur Überraschung der Fossil-Magnaten, wäre unser Leben um Jahrzehnte kürzer und um vieles beschwerlicher. Wir wären den lieben langen Tag damit beschäftigt, das Essen für unsere nächste Mahlzeit zusammenzubekommen. Wir hätten keine Kühlschränke, es gäbe weder Autos noch Züge, wir müssten unsere Wäsche mühsam von Hand waschen und hätten nach Sonnenuntergang nicht einmal Licht zum Lesen.
Man kann Menschen eben doch dazu bewegen, ihre Meinung zu hinterfragen oder gar zu ändern. Allerdings nicht über die üblichen Streitgespräche, sondern nur über wohlwollende Dialoge auf Augenhöhe.
Die Gesichter der Manager entspannten sich: „Sie haben es verstanden“, lobte einer, „die Menschen brauchen Energie, und wir stellen sie ihnen zur Verfügung. Wir sind nicht die Bösen!“
Nachdem das Eis gebrochen war, konnte Hayhoe zu ihrem Anliegen überleiten: „Energie brauchen wir auch in Zukunft“, sagte sie, „das aber können nicht mehr die fossilen Energien sein. Dafür haben sie zu gravierende und gefährliche Nebenwirkungen. Deshalb ist der Übergang zu anderen Energieformen so wichtig. Wie bekommen wir den hin?“
Weit länger als geplant, diskutierten die Manager lebhaft mit der Klimaforscherin und fragten sie aus: Woher wissen wir, dass es der Mensch ist, der das Klima ändert? Unser Haus-Geologe sieht das anders – was macht er falsch? Und welche Energiequellen können wir in Zukunft erschließen?
Das Beispiel zeigt: Man kann Menschen eben doch dazu bewegen, ihre Meinung zu hinterfragen oder gar zu ändern. Allerdings nicht über die üblichen Streitgespräche, sondern nur über wohlwollende Dialoge auf Augenhöhe, in gegenseitigem Respekt und in positiver Atmosphäre. Wir haben auch als Gesellschaft die Chance, Meinungsbildungsprozesse so zu gestalten, dass sie verbinden, statt zu polarisieren.
Dass für uns Menschen die Übereinstimmung mit unserer Peer Group so wichtig ist, lässt sich als Stärke nutzen. Denn es bedeutet: Unsere Mitmenschen sind eben nicht ausschließlich auf ihren eigenen Vorteil bedachte Egos. Auch sie wollen von Menschen, die sie schätzen und lieben, als hilfreich, gut und anständig anerkannt sein. „Wir sind nicht die Bösen!“ Darauf legen auch die (vermeintlichen) politischen Gegner Wert, denen man nur allzu leichtfertig den guten Willen abspricht.
Keine Erfolgsgarantie
Nun mag man fragen: Was nützt das alles? In den USA reden Katharine Hayhoe und viele andere schon lange mit Engelszungen, setzen auf Wohlwollen statt auf Konfrontation – und doch konnten sie Trump 2.0 nicht verhindern.
In der Tat. Wie sehr wir uns auch mühen – eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Und auch jene, die Klimaschutz verhindern wollen, verstehen ihr kommunikatives Handwerk. Doch Menschen sind frei: Es gibt immer die Möglichkeit, sich von jetzt auf gleich für Klimaschutz zu entscheiden. Dann kann es viel schneller vorangehen, als wir heute für möglich halten.
Überzeugungsarbeit mag zäh sein und lange dauern. Aber sie für unmöglich zu halten , wäre so als würde man die Mondlandung für unmöglich erklären, nur weil es einem nicht gelungen ist, ihn auf einer Gartenleiter zu erreichen.
Wir werden erleben müssen, dass es für vieles zu spät sein wird. Aber zu spät, um noch Schlimmeres zu verhindern, wird es niemals sein, sagt Michael Mann, der Klimaforscher, der sich mit seiner berühmten Hockeyschläger-Kurve im Lager der Klimawandelleugner viel Feindschaft zugezogen hat.
Ja, es geht nicht schnell genug mit der Dekarbonisierung. Aber deshalb die Hoffnung gleich ganz fahren zu lassen: Dafür bietet uns weder die Klimaforschung einen Grund noch die Sozialpsychologie.
Überzeugungsarbeit mag zäh sein und lange dauern. Aber sie für unmöglich zu erklären, schreibt David McRaney, wäre so als würde man die Mondlandung für unmöglich erklären, nur weil es einem nicht gelungen ist, ihn auf einer Gartenleiter zu erreichen.
Eine Mondrakete zu entwickeln, ist schwierig, aber schaffbar. Das gleiche gilt, für den Versuch, Menschen von Klimaschutz zu überzeugen. Erfolgreiche Klima-Kommunikation ist ein Handwerk. Profis wie David McRaney und Katharine Hayhoe können zeigen, wie es geht.
Die Geschichte des sozialen Wandels zeigt: Auch für unüberwindbar gehaltene Ideen können abgelöst werden durch bessere. Viele gesellschaftliche Veränderungen wie die Einführung des Frauenwahlrechts oder die Überwindung des institutionalisierten Rassismus haben im Rückblick viel zu lange gedauert. Doch es lohnt sich, auch Überzeugungsarbeit in Klimafragen viel mehr als Marathon zu sehen, nicht als Sprint, den man mit einem kurzen Kraftakt gewinnen kann.
Hoffnung macht dabei, dass die genannten Veränderungen enorm an Fahrt aufgenommen haben, nachdem die Sensibilität der Gesellschaft für die Missstände einen kritischen Punkt überschritten hat. Bei der Dekarbonisierung gelten etwa die Nachfrage nach fossilfreier Technologie oder das Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels als derartige Kippunkte. Es lohnt sich also, durch offene Kommunikation, die Fronten abbaut, darauf hinzuarbeiten.