Für Deutschland sind derzeit zwei zentrale CO2-Bepreisungssysteme relevant: der europäische Zertifikatehandel (EHS) für die Bereiche Energie, Industrie und Luftverkehr und der nationale Zertifikatehandel (BEH) für die Bereiche Wärme und Verkehr. Zertifikatehandel bedeutet, dass diejenigen, die Emissionen erzeugen, je nach Höhe des Ausstoßes die entsprechenden Zertifikate ersteigern müssen. Sie kaufen damit sozusagen Verschmutzungsrechte.
Schöne Theorie, schnöde Realität
Aus Klimaschutzperspektive ist das theoretisch ein geniales Instrument. So könnten vom Industriekraftwerk bis zum Lkw fast alle Emissionsquellen erfasst werden, und mit der Anzahl der ausgegebenen Zertifikate ließe sich die Emissionsmenge begrenzen, die jährlich ausgestoßen werden darf. Die Zertifikate könnten schrittweise aus dem Verkehr gezogen werden, so dass wir das Restbudget nicht überschreiten, das uns noch zur Verfügung steht, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel einhalten wollen. Die steigende Knappheit ließe den Zertifikatspreis automatisch steigen – und damit den Anreiz, auf klimaneutrale Technologien umzusteigen.
Soweit die Theorie. In der Praxis werden jedoch längst nicht alle Emissionsquellen einbezogen. Im EHS gab es lange Zeit keine echte Knappheit der Zertifikate, viele wurden kostenlos ausgegeben. Dies führte zu einem niedrigen und schwankenden Preis. Außerdem wird ihre Menge viel zu langsam reduziert – mit dem aktuellen Tempo würde selbst das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 verfehlt. Im BEH ist streng genommen nicht einmal die Zertifikatsmenge begrenzt. Zu Beginn sind die Zertifikate auch nicht frei handelbar, sondern werden zu niedrigen Fixpreisen vergeben: Die aktuellen 25 Euro pro Tonne sind weit von den 680 Euro entfernt, die das Umweltbundesamt als „wahre“ CO2-Kosten ansetzt. Kein Wunder, dass der Preis bislang nur sehr begrenzt Wirkung zeigt.
Verknüpfung mit einem Mindestpreissystem
Die Energie- und Stromsteuer muss so verändert werden, dass Energieträger wie Kohle, Gas oder Öl ausnahmslos anhand ihres CO2-Gehalts besteuert werden. Dies führt zu einem faktischen Mindestpreis im EHS und BEH.
Da die Kosten zum Umstieg auf klimaneutrale Energieträger (Vermeidungskosten) je nach Bereich sehr unterschiedlich sind, sollten getrennte Zertifikatssysteme für Energieerzeugung und Industrie, Verkehr und Wärme, Luftfahrt und Schifffahrt eingeführt werden. Idealerweise auf europäischer Ebene – so wäre die Klimaschutzwirkung am größten. Bei einer Integration in ein einziges System bestünde das Risiko, dass in Bereichen mit hohen Vermeidungskosten erst einmal gar nichts passiert.
Vieles wird günstiger, Härten werden abgefedert
Allen Unkenrufen zum Trotz macht der CO2-Preis nicht alles teurer. Strom wird durch die Steuerreform günstiger – und damit zum Beispiel auch der Betrieb einer Wärmepumpe oder eines E-Autos. Der Verbrauch fossiler Energien, also etwa für Ölheizungen oder Diesel-Pkw, wird dagegen mehr kosten.
Um soziale Gerechtigkeit zu sichern und anfängliche Härten abzufedern, schlagen wir eine pauschale Klimaprämie pro Kopf vor, von der vor allem Familien, Alleinerziehende und Personen mit geringem Einkommen profitieren. Zusätzlich muss es einen Härtefallfonds geben und staatliche Transferleistungen wie Wohngeld oder Arbeitslosengeld müssen erhöht werden.
Unterstützung von Unternehmen
Auch Unternehmen brauchen Unterstützung bei dieser Transformation. Auf nationaler Ebene geschieht dies unter anderem durch eine finanzielle Unterstützung bei Investitionen in klimaneutrale Technologien. Auf europäischer Ebene erfolgt dies im Rahmen des Innovations- und Modernisierungsfonds.
Eine an der CO2-Intensität orientierte Abgabe auf Endprodukte gewährleistet die Gleichbehandlung von in- und ausländischer Produktion. Auf europäischer Ebene entwickeln wir ein Grenzausgleichsregime, das den CO2-Preis auf Nicht-EU-Produkte aufschlägt.
Diesen Text und viele andere findest du auch im GermanZero-Magazin.