"Bei der COP sorgen NGOs für Druck und Transparenz"

Johnny Stengel über intensive Aktivisten-Tage, die wichtige Rolle von NGOs und Gespräche mit Annalena Baerbock bei der COP28 in Dubai

GermanZero lebt vom Engagement von mehr als 1000 ehrenamtlich Aktiven. Was sie bewegt und was sie konkret fürs Klima tun, ist so vielfältig wie die Städte und Gemeinden, in denen sie aktiv sind.

In loser Folge stellen wir hier Ehrenamtliche mit ihrer GermanZero-Geschichte vor.

Ehrenamt Politik-Gespräche Klimapolitik
08.12.2023
Markus Sailer

Johnny Stengel ist seit 2020 aktiv für GermanZero. Unter anderem wirbt er in Gesprächen mit Bundespolitiker:innen für 1,5-Grad-Gesetze von GermanZero und ist an einer Vielzahl von Aktionen und Vernetzungen mit anderen Klima-Akteuren und NGOs beteiligt.

Für GermanZero war Johnny auf der COP28 in Dubai. Hier berichtet er von seinen Erfahrungen.

Nahm NGO-Vorschläge mit in die Verhandlungen: Klima-Staatssekretärin Jennifer Morgan

GermanZero: Johnny, wie bist du zum Klimaaktivist geworden?

Johnny: Politisiert haben mich vor über 10 Jahren wissenschaftliche Umweltromane, spätestens seit Fridays for Future beschäftige ich mich rund um die Uhr mit Lösungen für die Klimakrise und habe mich in verschiedensten Gruppen organisiert.

Was motiviert dich?

Johnny: Ich lasse mich von all den Menschen inspirieren, die sich auch jede Woche für ein besseres Morgen engagieren. Wenn wir dann gemeinsam unseren Impact spüren, denke ich mir jedes Mal: Von diesem Erfolg müssten jetzt noch mehr Menschen erfahren, damit Selbstwirksamkeit zum Allgemeingut wird! Und es gibt darüber hinaus genug Positivbeispiele für gelungene Transformation, in den richtigen Zeitungen lassen sie sich finden.

"Es gab mehrere Momente auf der Konferenz, in denen alle Anwesenden spüren konnten, wie wirkmächtig öffentlicher Druck sein kann."

Bei wie vielen COPs warst du bereits?

Johnny: Neben den letzten Klimaverhandlungen in Bonn, die zur Vorbereitung der jeweiligen COP dienen, durfte ich auch zur COP26 nach Glasgow fahren sowie die COP27 und COP28 jeweils beide Wochen begleiten.

Wie sieht ein typischer Tag bei einer COP für dich aus?

Johnny: Zum einen gibt es tägliche Treffen der jungen und etablierten Vertreter:innen der Zivilgesellschaft auf Bundes-, EU- und internationaler Ebene mitsamt ihren jeweiligen Arbeitsgruppen, beispielsweise zu Mitigation oder Energie. Daneben geht es immer frühmorgens darum, sich briefen zu lassen. Dabei erfahren wir, wie die Verhandlungen gerade vorankommen und wer sich wie positioniert. Es gibt unter anderem NGO-Briefings, Presse-Briefings, NGO-Vernetzungstreffen, Briefings aus der Wissenschaft, Pressekonferenzen und abends einen großen Policy-Debrief.

Treffen mit dem IPCC-Vorsitzenden Jim Skea

Außerdem gibt es im Laufe des Tages Treffen mit anderen Aktivist:innen, bei denen wir uns vernetzen sowie Kampagnen, Pressemitteilungen, Protestaktionen, Narrative und Strategien absprechen. Den größten Teil meiner Zeit nimmt in der Regel die Vorbereitung, Nachbereitung und Durchführung von Lobbygesprächen und Beratungsgesprächen ein, beispielsweise mit Verhandler:innen der EU und aus den deutschen Ministerien, wie Jennifer Morgan oder Annalena Baerbock.

Welche Rolle spielen NGOs auf einer COP?

Johnny: NGOs spielen vor Ort vor allem zwei wichtige Rollen: Druck erzeugen und Transparenz schaffen. Mit ihren Kenntnissen über die Lösungsvorschläge aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzen sie die Verhandler:innen in den entscheidenden Stunden vor politischen Entscheidungen unter Druck und erinnern sie an ihre Versprechen. Zweitens sorgen sie für Transparenz und übersetzen für die Öffentlichkeit, was in den Räumen der Weltklimakonferenz gerade passiert.

Druck aus der Zivilgesellschaft: Eine der größten Demonstrationen bei der COP28 / Credits: Konrad Skotnicki, WSCHOD

Wenn du auf die letzten COPs zurückblickst - was hat sich dabei inzwischen in eine gute Richtung entwickelt, was in eine schlechte?

Johnny: In der Tendenz gibt es mehr Treffen mit der Zivilgesellschaft und mehr Transparenz. Andererseits bleibt das politische Tempo leider ungenügend, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Wie groß siehst du die Gefahr, dass die Fossil-Lobby ihren Einfluss auf die COPs ausweitet?

Johnny: Die Gefahr ist real, in diesem Jahr wurde während der COP28 öffentlich, dass mehr fossile Lobby-Vertreter:innen denn je vor Ort sind, mindestens 2.456! Das waren vier Mal so viele wie in dem Rekordjahr 2022 bei der COP27. Zahlreiche Kampagnen aus der Zivilgesellschaft haben das zum Thema gemacht.

"Annalena Baerbock sprach sich mit uns deutschen NGOs sogar strategisch ab."

Wie reagieren Politiker:innen und andere Teilnehmer:innen auf euer Engagement?

Johnny: Jennifer Morgan, die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, sagte mir, dass sie sehr dankbar für meine Einschätzung der Stimmung in der Zivilgesellschaft nach Woche eins sei. Außerdem schrieb sie Vorschläge von uns mit, um sie in die Verhandlungen einzubringen.

Lobbygespräch mit Annalena Baerbock

Außenministerin Annalena Baerbock sprach sich mit uns sogar strategisch ab. Jim Skea, der Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, sagte uns, er brauche uns Aktivist:innen und NGOs, da der Weltklimarat selbst seine Erkenntnisse und Grafiken nicht beliebig vereinfacht weiterentwickeln und neu verbreiten darf, weil das über das von den Staaten erteilte Mandat hinausgeht. Dementsprechend sei es unsere Aufgabe, den Report verständlich auf Social Media und in der Öffentlichkeit zu erklären.

Mit welchem Gefühl kommst du von der COP 28 zurück? Wo gibt es Hoffnung, wo Enttäuschung?

Johnny: Die weltweite Zivilgesellschaft, so divers sie auch ist, hat es geschafft, eine familiäre Community vor Ort zu erschaffen. Und auch wenn die Beschlüsse nicht das sind, was wir brauchen: Das Tempo erhöht sich, und es gab mehrere Momente auf der Konferenz, in denen alle Anwesenden spüren konnten, wie wirkmächtig öffentlicher Druck zukünftig sein kann. Zum Beispiel schlug dem COP-Präsidenten Sultan Al Jaber ein enormer Druck entgegen, nachdem er gesagt hatte, es gebe keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen die 1,5-Grad-Grenze halten ließe. Kurz danach fanden sich endlich mehrere Bezüge auf die Wissenschaft und den IPCC im Entwurf für das Abschlussdokument wieder.

Insofern heißt es in den nächsten Monaten: Weiter geht’s, damit die klimapolitische Ambitions- und Umsetzungslücke mithilfe der Zivilgesellschaft schnellstmöglich geschlossen wird!

Für Eilige

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