Vom Wollen zum Können

Warum 560 Städte und Gemeinden Klimaschutz als Pflichtaufgabe(n) fordern

Die Kommunen spielen eine Schlüsselrolle bei der Transformation des Landes hin zur Klimaneutralität. Doch oft fehlen ihnen die Mittel für konsequenten Klimaschutz. Damit sich das ändert, fordert das Klima-Bündnis gesetzliche Änderungen im Bund.

LocalZero / Klimaentscheide Gesetzgebung
13.09.2022
GermanZero

Was wäre, wenn Bürgermeister:innen die Welt regierten? Dann wäre sie ein besserer Ort, zumindest, wenn man dem Politikwissenschaftler Benjamin Barber glaubt. Und in Anbetracht der globalen Klimakrise scheint das sehr plausibel. Klimaschutz in Deutschland geschieht zu einem großen Teil in den Städten und Gemeinden. Er sichert ganz handfest die Gesundheit, das Wohlergehen, die wirtschaftlichen Grundlagen und die Lebensqualität der Menschen dort.

560 deutsche Städte sind Teil des Klima-Bündnisses, von Aachen... / Credits: Günter Hentschel

So liegt es im ureigenen Interesse der Bürgermeister:innen, all dies für ihre Bürger:innen sicherzustellen. Entsprechend entschlossen und pragmatisch handeln viele von ihnen. 74 Städte in Deutschland, von Aachen bis Zirndorf, haben seit 2019 den Klimanotstand ausgerufen. 560 deutsche Kommunen haben sich inzwischen dem europaweiten "Klima-Bündnis" angeschlossen, das sich zu einem umfassenden und gerechten Klimaschutz verpflichtet. Dieses Klima-Bündnis fordert nun vom Bund, Klimaschutz und Klimaanpassung als kommunale Pflichtaufgaben zu verankern. Warum?

Klimaschutz konkret

Städte und Gemeinden sind die Orte, an denen klimarelevantes Verhalten konkret wird: Hier leben die Menschen, hier fahren sie zur Arbeit und bauen Häuser, hier konsumieren sie und produzieren Abfall, hier nutzen viele den Strom und die Wärme ihrer Stadtwerke. So haben Städte und Gemeinden Einfluss auf fast 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Gemeinsam können sie also viel bewirken.

Freiwillig passiert zu wenig

Es gibt nur einen Haken: Klimaschutz ist für die Kommunen eine "freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe" und rangiert damit auf einer Ebene mit Freibädern und Bibliotheken. Sprich: Wenn das Geld knapp wird, wird am Klimaschutz gespart. Oder es wird gar nicht erst langfristig und ambitioniert geplant. Genau das aber wäre nötig, damit das gesamte Land die nötige Transformation zur Klimaneutralität meistern kann.

Wille ja, Personal nein

Beispiel Gebäude: Bis 2045 will die Bundesregierung einen klimaneutralen Gebäudebestand erreichen. Durch eine energetische Sanierung der 186.000 Schulen, Schwimmbäder und Verwaltungsgebäuden, die im Besitz der öffentlichen Hand sind, könnten diese nach Auskunft der Deutschen Energie Agentur (DENA) im Schnitt 80 Prozent der heute genutzten Energie – aktuelle Kosten: 5 Milliarden Euro jährlich – einsparen.[1] Doch allein für diese Aufgabe bräuchten die Verwaltungen nach Berechnungen des internationalen Städtenetzwerks Energy Cities 50.000 neue Vollzeitstellen.[2] Wie sollen die chronisch klammen Kommunen das stemmen?

Mangelnde Standards

...über Hamburg... / Credits: Michaela Loheit

Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an Standards, die den deutschen Klimazielen gerecht werden: Selbst wenn eine Kommune umfangreiche Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung beschließt: Es gibt zu wenige standardisierte Lösungen, die in die klimaneutrale Zukunft weisen und einfach verwendet werden können. So müssen unzählige Kommunen mit ihrem ohnehin zu knappen Personal das Rad immer wieder neu erfinden, wenn sie klimaneutrale Gebäude planen wollen. Kein Wunder, dass viele lieber auf bewährte aber nicht mehr zeitgemäße Lösungen zurückgreifen die neue Feuerwache dann eben wieder aus Beton mit Kunststoffdämmung bauen anstatt als Plusenergie-Holzhaus.

Klimaschutz muss Querschnittsaufgabe sein

Kommt es dann doch zu gut gemachten Klimaprojekten, führen sie nicht selten ein Inseldasein, und ihre Wirkung verpufft im Gesamtkomplex der Stadt wie ein Regentropfen auf heißem Asphalt. Dass die Stadtwerke Wind- und Solaranlagen aufstellen, reicht nicht aus. Von der auf steigende Temperaturen und Starkregen angepassten Grünflächenplanung über öffentlichen Nahverkehr, der den Verzicht aufs Auto einfach macht, bis hin zum Bio-Essen in Kitas und Kantinen gibt es eine Fülle von Stellschrauben, mit denen Städte und Gemeinden bürgernah den Pfad zur Klimaneutralität einschlagen müssten. Doch Grünanlagen und Verkehr, Transport und Beschaffung von Kantinenessen müssen gemeinsam mit dem Ziel des Klimaschutzes geplant werden, um eine maximale Wirkung zu entfalten. Kurz: Klimaschutz muss als Querschnittsaufgabe quasi in die DNA jedes Verwaltungsbereichs eingeschrieben sein.

Verpflichtender Klimaschutz ist wirksamer Klimaschutz

...bis Zirndorf / Credits: Eudessa/Wikicommons

Ausreichend Personal, einheitliche Planungsstandards, Klimaschutz als Querschnittsaufgabe, und all dies langfristig finanziert – damit die Kommunen ihre zentrale Rolle bei der großen Transformation zu einem klimaneutralen Deutschland ausfüllen können, braucht es eine zentrale Weichenstellung auf Bundesebene: Klimaschutz muss von Bund und Ländern als Pflichtaufgabe(n) für Kommunen verankert werden. Dieser Schritt ist insbesondere in Hinblick auf die Finanzierung von wirksamem Klimaschutz in Städten und Gemeinden wichtig. Denn nach dem so genannten Konnexitätsprinzip ("wer bestellt, bezahlt") müssten dann der Bund oder die Länder sicherstellen, dass die Kommunen den Klimaschutz auch finanzieren können, zu dem sich Deutschland im Klimaabkommen von Paris verpflichtet hat.

Dass die nötige Finanzierung grundsätzlich realistisch ist, sofern der Staat die richtigen Rahmenbedingungen setzt, zeigt z. B. eine Analyse der KfW, die zu dem Schluss kommt, Investitionen von jährlich rund 72 Milliarden Euro "zum Erreichen der Klimaneutralität sind […] zwar ambitioniert, aber leistbar." Und nicht nur das: "Investitionen in den Klimaschutz gehen mit langfristig positiven Effekten auf das Bruttoinlandsprodukt oder die Beschäftigung einher."[3]

Bund und Länder in die Pflicht nehmen

Kommunen sind die Orte, an denen Klimaneutralität ganz konkret gemacht wird. Doch weil ihnen viel zu oft die Mittel fehlen, um durchgreifende Maßnahmen zu ergreifen, geht das eingangs erwähnte Klima-Bündnis mit einem Positionspapier an die Öffentlichkeit. GermanZero trägt die zentralen Forderungen des Papiers mit:

"Im Namen seiner über 560 Mitgliedskommunen in Deutschland (rund 54 Prozent der deutschen Bevölkerung), fordert das Klima-Bündnis den Bund in Zusammenarbeit mit den Bundesländern dazu auf, Klimaschutz und Klimaanpassung, in Verbindung mit einer Finanzierung gemäß dem Konnexitätsprinzip, als Pflichtaufgabe(n) für Kommunen zu verankern."

Damit Bürgermeister:innen vielleicht nicht gleich die Welt regieren, aber all ihre Möglichkeiten ausschöpfen können, zu ihrer Rettung beizutragen.

Positionspapiere des Klima-Bündnis

Positionspapiere des Klima-Bündnis

Kurzversion (PDF)

Langversion (PDF)

Quellen

Jeden Monat gute Nachrichten